Retro der Woche 25/2022

Wenn sich zwei große Meister — das könnt ihr hier sogar wörtlich nehmen: zwei Großmeister — zusammentun, um gemeinsam eine Aufgabe zu bauen, kann man schon ein wenig mehr als „nur“ eine gute Aufgabe erwarten. Ich glaube, das heutige Problem wird diesen hohen Erwartungen gerecht.

Michel Caillaud & Reto Aschwanden
Donani-50 Turnier 2003, 2. Preis
Beweispartie in 20,0 Zügen (12+15)

 

Bei Weiß sind wir mit dem Zählen der sichtbaren Züge schnell fertig; wir kommen auf drei, und das hilft uns noch nicht viel weiter. Vielversprechender ist das Zählen bei Schwarz: 2+2+4+1+3+6=18, aber das kann so noch nicht stimmen: Sowohl für die lange Rochade als auch für die Turmzüge in den Südwesten benötigen wir ein freies Feld c8; der dortige Läufer muss das Feld also verlassen haben und wieder zurückgekehrt sein — und damit sind alle schwarzen Züge bereits nachgewiesen.

Aber noch ein paar andere Fakten können wir daraus ableiten:

Höchstens der schwarze Bauer auf d6 könnte geschlagen haben, dann aber mus Weiß [Bd7] zu Hause geschlagen haben; kommt der Bauer auf d6 allerdings von d7, so hat Weiß [Bc7] zu Hause geschlagen, da er keine Zeit zum Ziehen hatte.

[Bb2] kann nicht auf seiner Linie geschlagen worden sein, er muss also selbst geschlagen haben, um dann verschwinden zu können: als Schlagopfer kommt aber nur der fehlende Bauer infrage — also stand der auf c7! [Bb2] muss also auf c8 umgewandelt haben.
Das gilt auch für [Bc2], der aktiv die c-Linie räumen musste: mit oder nach seiner Umwandlung ebenfalls auf c8. Denn Schwarz musste Tc8-c1 ziehen, ansonsten hätte [Bc2] im Weg gestanden.

Nun stellen wir fest, dass die beiden Umwandlungen auf c8 vor der langen Rochade erfolgen mussten: entweder hätte sonst der schwarze König noch auf dem Umwandlungsfeld gestanden oder er hätte, schon auf b8, von c7 aus ein Schachgebot bekommen. Er hatte allerdings keine Zeit, dem dann auszuweichen.
Die Umwandlungssteine mussten also c8 verlassen, um dann selbst geschlagen zu werden oder halt ihre Partieausgangs-Pendants zu ersetzen. Letzteres dürfte allerdings schwierig sein, denn dann müssten die ja auf die erste Reihe gelangen können.

Versucht also zu raten, wo die beiden Umwandlungssteine geschlagen wurden — und, ach ja, [Lf1] muss ja auch noch verschwinden: Wo wurde der wohl geschlagen? [Ba2] haben wir ja schnell im Verdacht, dass er einfach von der schwarzen Dame ins Jenseits befördert wurde.

Wenn ihr dazu eine Idee zum Schlag er drei Offiziere entwickelt habt — ja, eure Gedanken können dabei ruhig auch absurd erscheinende Wege gehen –, dann könnt ihr zu lösen versuchen.

Lösung


Selten habe ich eine Beweispartie gesehen, bei der ein Themafeld so stark wie hier c8 dominierend ist: Donati-Läufer, die auf ihrem Umwandlungsfeld a la Prentos geschlagen werden, Anti-Pronkin mit weiterem Schlagfall auf dem Themafeld. Nicht nur das sorgt für eine bemerkenswerte Einheitlichkeit, sondern auch die Bahnungs-Strategie bei Weiß und Schwarz, hier verbunden mit der kritischen Überschreitung von f5. Ein echtes Kunstwerk der beiden großen Komponisten!

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