Solving in Style

Im Jahre 1985 erschien die erste Auflage des Buches Solving in Style von Partie- und Löse-Großmeister John Nunn, in dem er sich speziell mit dem Lösen von Schachproblemen beschäftigt. Schon in dieser Auflage gab es ein Kapitel über (klassische) Retros.

Nun hat John, den viele sicher auch als Studien-Sachbaerbeiter des Problemist kennen, eine zweite, verbesserte und erweiterte Auflage (in englischer Sprache) vorgestellt, die nun u.a. auch ein eigenes Kapitel über Beweispartien enthält.

Heute noch ungewöhnlich ist, dass das Buch nur elektronisch erschienen ist; eine Papierausgabe der 2. Auflage gibt es also nicht. Für die elektronische Form gibt es zwei Alternativen:

  • Als App-Book: hierzu ist eine kostenlose App des Gambit-Verlages erforderlich, damit können dann die Züge und Varianten interaktiv gespielt werden. Nachteil: Diese App ist nur für Smartphones und Tablets unter Adroid bzw. iOS verfügbar.
  • Als e-Book im Kindle Format, das eher dem normalen Buch entspricht, d.h. ohne interaktive Diagramme auskommt. Dafür kann es nicht nur auf Smartphones und Tablets (und natürlich den Kindle-Geräten) gelesen werden, sondern auch auf Apple- und Windows-PC, da es hierfür kostenlose Leseprogramme von Amazon gibt.
Beide Versionen kosten jeweils nur etwa neun Euro (!!) — das ist einfach ein MUSS für jeden Problem- und Retro-Freund! Ich jedenfalls bin von der zweiten Auflage hellauf begeistert.

Andrej Kornilow

Heute vor fünf Jahren, am 14.11.2011, verstarb völlig überraschend Andrej Kornilow (* 4.5.1944), einer der bedeutendsten Retro-Komponisten der letzten Jahrzehnte. Hauptsächlich hat er sich mit klassischen Retro-Themen beschäftigt, aber auch Beweispartien und (häufig mit Nikita Plaksin zusammen) Märchen-Retros gebaut. Viele Gemeinschaftsaufgaben waren mit Andrej Frolkin entstanden, ihre Zusammenarbeit und Freundschaft begann 1978. Ich möchte euch dessen (zusammen mit Nikolai Beluchow geschriebenen) Nachruf in feenschach 190, Dez. 2011, zum nochmaligen Lesen und Genießen der dortigen Aufgaben ans Herz legen.

Eine nicht so bekannte Aufgabe von Andrej Kornilow habe ich zu seinem Gedenken herausgesucht:

Andrej Kornilow
Schachmati w SSSR 1991
Letzte 9 Einzelzüge? (13+9)

 

Mit den Bauern am Königsflügel hat Schwarz die fehlenden drei weißen Steine geschlagen — dazu mussten sich [Ba2], [Bb2] und [Bc2] auf d8 umwandeln, wofür sechs Schläge benötigt werden; zusammen mit dem Doppelbauern auf der e-Linie sind damit alle fehlenden Steine erklärt.

Lösung: R: 1.– d6xDe5+ 2.Tg3-g5 g7xDf6 3.Sg5-h7+ h7xDg6 4.Ke4-f4 Kg4-h4 5.Tf3-g3++ Kg4-h4.

Nun solltet ihr herausfinden, wieso nur Damen-Entschläge möglich sind: Auch Läufer oder Springer hätten ja von d8 freigespielt werden können? Und könnt ihr nachweisen, welche der vier nun auf dem Brett stehenden weißen Damen die Original-Dame ist, sodass wir konkret von “drei Ceriani-Frolkin-Damen” sprechen können? Allzu schwer ist das nicht, aber es lohnt sich!

Retro der Woche 46/2016

Eigentlich ist das mit Rochade und en passant ganz einfach in Retros: War nachweislich ein Bauerndoppelschritt letzter Zug, so ist ein en passant Schlag zulässig. Die Rochade ist zulässig, solange ihre Unzulässigkeit nicht nachgewiesen werden kann.

Komplizierter ist der Fall, dass sich Rochaden und/oder en passant Schläge gegenseitig ausschließen, wenn also beispielsweise nachgewiesen kann, dass nur eine der beiden vom Diagramm her möglichen Rochaden zulässig ist, weil nachweislich einer der beiden Türme gezogen haben muss, aber nicht bewiesen werden kann, welcher von beiden.

Dann greift die Regel der „partiellen Retroanalyse“; die ist in Artikel 16.3 des Kodex wie folgt definiert:

Partielle Retroanalyse (PRA) Konvention. Falls die Rechte zu rochieren und/oder en passant zu schlagen wechselseitig voneinander abhängen, besteht die Lösung aus mehreren einander ausschließenden Teilen. Alle Kombinationen von Zugrechten, welche partiemöglich sind und die Rochade-Konvention und die En-passant-Konvention berücksichtigen, bilden diese einander ausschließenden Teile. Sofern im Fall der wechselseitigen Abhängigkeit von Rochaderechten eine Lösung gemäß der PRA Konvention nicht möglich ist, soll die Retro-Strategie (RS) Konvention angewendet werden: Diejenige Rochade wird als zulässig angesehen, die zuerst ausgeführt wird.

Übersetzung des Originaltextes von Werner Keym für den Nachtrag zum Dittmann-Buch)

Schauen wir uns das an einem Beispiel an:

Werner Keym
Die Schwalbe 1971
#3 (13+8)

 

Die weißen Bauern haben alle fehlenden schwarzen Steine geschlagen, darunter auch [Ba7] und [Bb7], die beide umgewandelt haben müssen. Um das zu ermöglichen, muss [Ba2] von Schwarz geschlagen worden sein. Zusammen mit den beiden schwarzen Doppelbauern sind auch alle fehlenden weißen Steine erklärt.

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Magnus

Donnerstag ist Kinotag – und heute ein besonderer für uns Schachfreunde: “Magnus – Der Mozart des Schachs” läuft ab heute in deutschen Kinos.

Natürlich geht es um Magnus Carlsen, den jungen Weltmeister aus Norwegen, der in einem 78 minütigen Dokumentarfilm vorgestellt wird. Einen Trailer des Films könnt ihr euch im Netz anschauen.

Dieser Seite habe ich auch die folgende kurze Hintergrundinformation entnommen:

Für die Dokumentation wertete der junge Regisseur Benjamin Ree über 500 Stunden Archivmaterial aus. Neben alten Familienfilmen und den Aufzeichnungen von den Meisterschaften, kommt der inzwischen 26-jährige Magnus selbst zu Wort. Dabei will Ree hinter den öffentlichen Hype um den „Mozart des Schachs“ blicken und einen ganz normalen jungen Mann zeigen, der trotz dem Erfolg bescheiden bleiben will.

Viel Spaß im Kino — und lasst euch das Popkorn schmecken!

Nachtrag 10.11.16:
Ich hatte vergessen darauf hinzuweisen, dass morgen (11.11.16) in New York der WM-Kampf Carlsen gegen Karjakin beginnt …

Schade!

Gestern hat Herausgeber Torsten Linß das November-Heft von harmonie-aktiv veröffentlicht — leider ist dies zunächst die letzte reguläre Ausgabe; es sind eigentlich nur noch die fehlenden Lösungsbesprechungen und die Vervollständigung der Preisberichte vorgesehen.

Dies finde ich sehr schade, denn diese Zeitschrift, die wie immer kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden kann, ist stets extrem lesenswert. Und wer über den Tellerrand der Retros hinausschauen mag, findet im neuen Heft drei großartige Preisberichte: 2x “FRuST=100” — Turnier zum 50. Geburtstag von Frank Richter und Sven Trommler von den Jubilaren selbst sowie den zum Mehrzüger-Informalturnier 2015 von Hans Peter Rehm.

Viel Lesespaß!

Retro der Woche 45/2016

Nach welchen Kriterien schätzt ihr die Schwierigkeit einer Aufgabe, beispielsweise einer Beweispartie, ein, bevor ihr sie löst? Zügezahl – länger gleich schwerer? Viele / wenige sichtbare Züge bei einer oder beiden Seiten? Nach dem/n Autornamen?

Falls ihr diese Aufgabe bisher noch nicht kennt: Wie schätzt ihr ihre Schwierigkeit ein?

Andrej Frolkin & Kostas Prentos
Messigny 2010, 1.-2. Preis
Beweispartie in 16,0 Zügen (14+14)

 

Allzu lang ist das Stück nicht, bei Schwarz sieht man eine Menge Züge, bei Weiß erst einmal keinen einzigen, da sich die 14 weißen Steine alle zu Hause befinden. Die Autorennamen sprechen eurer Meinung nach eher für leicht oder eher für schwer? So oder so sicher für Qualität!

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Schwalbe-Hefte im Internet

Auf der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Schwalbe in Güstrow wurden auch einige Punkte zur elektronischen Publikation der Zeitschrift Die Schwalbe beschlossen.

Einer dieser Punkte konnte bereits umgesetzt werden: Hefte, die mindestens fünf Jahre alt sind, stehen als PDF-Dateien im Internet frei zum Download bereit, soweit sie noch elektronisch vorliegen. Die Hefte der Jahrgänge 2003 bis 2011 könnt ihr hier einsehen und herunterladen.

Die PDF-Dateien beruhen übrigens auf den Dateien, die der Schriftleiter Stefan Höning zum Druck an bernd ellinghoven geschickt hatte; sie können also leicht von den gedruckten Heften abweichen (fehlende Fotos, Änderungen nach Redaktionsschluss) — dennoch eine tolle Hilfe auch zum elektronischen Durchsuchen der Hefte!

Über die weiteren diesbezüglichen Beschlüsse wird das Dezemberheft der Schwalbe berichten, dem möchte ich nicht vorgreifen.

Retro der Woche 44/2016

Gelegentlich stellen Autoren anstatt des üblichen „Löse auf!“ auch ganz konkrete Fragen zum Rückspiel, mit denen sie die Löser direkt auf den Inhalt der Aufgabe stoßen wollen. Gelegentlich sind darin die Konstruktion erleichternde Bedingungen enthalten; dies ist bei dem heutigen Beispiel allerdings nicht der Fall: Hier will der Autor mit seiner Frage sofort ein Ausrufezeichen setzen.

Nikolai Beluchow
Die Schwalbe 2010, Hugo August gewidmet, 1. Preis
Wie oft stand der schwarze König in den letzten 66 Einzelzügen im Schach? (16+10)

 

Wenn man kurz die Stellung betrachtet und sieht, wie der schwarze König im Zentrum eingekesselt ist von weißen Langschrittlern, so könnte man direkt auf den Verdacht kommen, dass das wohl 33 Mal gewesen sein könnte?!

Aber bevor wir diesem Verdacht nachgehen, wollen wir uns die Stellung etwas genauer anschauen: Weiß hat noch all seine Steine, während bei Schwarz insgesamt sechs Steine fehlen. Direkt sichtbar ist nur axb5, aber Weiß verfügt ja über zwei Umwandlungssteine: eine Dame sowie einen weißfeldrigen Läufer. Beide müssen, aus [Bg2] und [Bh2] entstanden, via f7 auf e8 oder g8 umgewandelt haben. Und damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

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