Ein Jahr Retroblog

Heute feiert dieser Blog seinen ersten Geburtstag! 140 Artikel sind bisher erschienen, beinahe hundert Kommentare habt ihr hier im Blog dazu abgegeben, dazu kommen viele Hinweise und Anregungen, die ihr mir per Mail geschickt, im persönlichen Gespräch gegeben habt: Euch allen ganz herzlichen Dank dafür; das zeigt mir, dass ich die Beiträge offensichtlich nicht nur allein für mich schreibe.

Nach einem Jahr habe ich natürlich ein paar Ideen, wie sich der Blog weiterentwickeln kann und soll. Ein wenig Zeit braucht das noch, und ihr werdet die Ergebnisse dann, so hoffe ich, direkt sehen. Und wenn es auf dieser Seite weitere Angebote für euch gibt, werdet ihr es hier natürlich als erste erfahren!

Retro der Woche 37/2013

Luigi Ceriani (23.1.1894 — 8.10.1969) war einer der besten und produktivsten Retro-Komponisten des vorigen Jahrhunderts, und seine beide Bücher 32 personaggi e un autore (1955) und La genesi delle posizioni (1961) gehören für mich neben Dawson/Hundsdorfers Retrograde Analysis (1915) und Dittmanns Der Blick zurück (2006) zu den absoluten Klassikern der Retroanalyse-Literatur, all diese Werke verdienen eine uneingeschränkte Lese-Empfehlung.

Ein Beispiel sei heute von ihm vorgestellt — besonders das erstgenannte Buch kann man einfach aufschlagen, und man findet eine interessante Aufgabe.

Luigi Ceriani
32 personaggi e 1 autore 1955, Nr. 91
Öffne den Südkäfig (13+12)

Ceriani liebte es, seine Forderung sehr beschreibend darzustellen; heute ist mehr “Löse die Stellung auf” üblich (und so findet sich die Aufgabe auch in der PDB), aber er schrieb unter das Diagramm “aprire la gabbia Sud”, und das habe ich hier übernommen.

Der Südosten kann erst befreit werden, wenn der sLe1 hinaus kann, dafür fehlen im Moment aber noch die Voraussetzungen, nämlich dass der sKd2 nach d1 zurückziehen kann.

Gleichzeitig sind in der Diagrammstellung sofort beide Parteien in Zugnot: Schwarz kann nur a7-a6 und e7xXf6 zurüchnehmen (d7-d6 scheidet aus, da es den Originalläufer auf h1 aussperren würde), und Weiß hat gar keinen Rückzug, denn h3-h4 würde entweder den wLh2 oder den sKd2 abklemmen.

Damit ist auch schon die Frage beantwortet, welche Seite mit der Rücknahme beginnen muss: Schwarz, und zwar mit e7xXf6.
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Retros fürs FIDE-Album

Anfang der Woche habe ich, ebenso wie die beiden anderen Richter Henrik Juel und Satoshi Hashimoto, die eingesandten Retro-Aufgaben für das FIDE-Album 2010-2012 erhalten: Genau 400 sind das. Nun werde ich in den kommenden Monaten also sicherlich nicht unter Langeweile leiden müssen: Die wollen alle bewertet und bepunktet werden.

Einen schönen Nebeneffekt für den Blog hat das: Dadurch stoße ich auch auf gute Aufgaben aus nicht ganz so populären und leicht zugänglichen Quellen, so dass ich sicherlich die eine oder andere Aufgabe hier, beispielsweise im Retro der Woche, verwenden kann.

Diagrammfehler!

Durch meine Schuld hat sich in der August-2013-Schwalbe (Heft 262) bei den Urdrucken ein Diagrammfehler eingeschlichen: In Nr. 15669 fehlt eine wDb8.

Danke an Urs Handschin, dass er mich drauf aufmerksam gemacht hat, meine Entschuldigung an den Autor und die Bewidmeten!

Hier das korrigierte Diagramm:

Michael Schlosser
15669V Die Schwalbe VIII/2013, Chr. Potthoff zum 70. & R. Staudte zum 60. Geburtstag gewidmet
#2 (7+1)

 

Schwalbe und Problemist

Heute hat sich bei mir der Blick in den Briefkasten mal wieder gelohnt: Keine Rechnung, dafür das August-Heft der Schwalbe und das Septemberheft des Problemist.

Jede Menge Lesestoff, auch wenn dieses Mal die Schwalbe keinen eigenen Retro-Artikel enthält (zwei Preisberichte liegen schon wieder vor und auch noch ein größerer Artikel). aber so habt ihr vielleicht ein wenig mehr Zeit zum lösen und kommentieren? Das wäre klasse!

Und wenn ihr mir, also der Schwalbe, auch noch den einen oder anderen guten Urdruck schickt, ist das noch besser: In meiner Mappe herrscht nämlich zur Zeit ein wenig Ebbe…

Nachtrag:
Silvio Baier machte mich darauf aufmerksam, dass ich vergessen hatte, auf das in der Schwalbe ausgeschriebene Konstruktionsturnier (gleichzeitig 213. Thematurnier der Schwalbe) Matt durch einen Stein/eine Steinart, ausgeschrieben von Silvio Baier und Bernd Schwarzkopf, hinzuweisen.

Konstruiere eine orthodoxe, legale Stellung, in der Weiß (am Zug) nur Mattzüge hat. Alle werden von A) demselben Stein, B) derselben Steinart ausgeführt. Der weiße König steht in der Diagrammstellung nicht im Schach. Umwandlungsfiguren sind a) nicht zulässig, b) zulässig. In jeder Untergruppe (Aa, Ab, Ba, Bb) wird je eine möglichst ökonomische Stelltung zu K, D, T, L, S, B gesucht. Bauernumwandlungen sind erlaubt, jede Umwandlung zählt.

Einsendungen bis zum 28. Februar 2014 möglichst per Mail an Silvio Baier (hilfsmatts(at)dieschwalbe.de); weitere Details finden sich im Artikel im Augustheft der Schwalbe, Seite 180f.

Retro der Woche 36/2013

Bei “Vorwärts-Aufgaben” wird oft großer Wert auf einen Schlüsselzug gelegt, der möglichst versteckt ist: Klar, bei einem Zweizüger bleiben nicht viele weitere Möglichkeiten, dem Löser Schwierigkeiten zu bereiten (“Probleme zu schaffen”) bei seinem Versuch, sich selbst die Aufgabe zu erschließen.

Anders schaut dies häufig bei Retros aus: Bei Auflöse-Aufgaben ist ein offensichtlicher letzter Zug nicht unbedingt ein Makel, sondern häufig als technisches Mittel erforderlich, um die Partei zu definieren, die in der Stellung am Zug ist. Die Schwierigkeit und auch der eigentliche Inhalt der Aufgabe ergibt sich halt nicht aus der ersten Zugrücknahme, sondern aus der weiteren Auflösung.

So auch bei dem Stück, das ich euch heute vorstellen möchte: Der letzte Zug ist sehr leicht, quasi sofort zu sehen, aber das ist nicht schlimm.

Michel Caillaud
Die Schwalbe 2006, 2. Preis (Werner Keym gewidmet)
Löse die Stellung auf (16+7)

 

Dass Schwarz zuletzt gezogen hat, ist durch das Schach gegen den weißen König offensichtlich, das Schachgebot ist nur durch 1.– Lc3-h8+ zu erklären. Dabei kann der Läufer auf h8 nicht geschlagen haben, da Weiß noch über all seine 16 Steine verfügt.

Wenn wir diesen Zug zurücknehmen, sehen wir allerdings schnell, dass Schwarz nun über keine Retrozüge mehr verfügt, Weiß muss also Schwarz Züge ermöglichen, um das drohende  Retropatt des Schwarzen zu vermeiden, erst dann kann er sich konkrete Gedanken um die Auflösung des Käfigs im Süden machen.

Zur Auflösung muss Weiß den fehlenden schwarzen Springer auf b2 entschlagen, damit der auf d1 Schachschutz geben kann für die Rücknahme von De1-e2.
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