Retro der Woche 6/2016

Korrektur 14.3.22: Geburtsjahr von Ivan

Recht ungewöhnlich ist es, wenn Vater und Sohn gemeinsam komponieren. Die Makedonier Gligor (*20.8.1946, † 15.01.2015, siehe Retro der Woche 35/2015) und Ivan (*22.3.1973) Denkovski haben gemeinsam nicht nur Retros, sondern auch Hilfsmatts gebaut.

Eine ihrer gemeinsamen Beweispartien habe ich für heute herausgesucht.

Gligor & Ivan Denkovski
Die Schwalbe 2009, 4. ehr. Erw.
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+16)

 

Kann man anhand der Diagrammstellung schon thematische Inhalte der Aufgabe erkennen? Hier geht das: Betrachten wir, welcher weiße Stein fehlt ([Bg2], so kann der nicht direkt geschlagen worden sein. Schwarz verfügt zwar über einen Doppelbauern, aber auf der h-Linie kann [Bg2] nicht verschwunden sein, da Schwarz noch „alle Mann an Bord hat“, Weiß also nicht schlagen konnte. Also muss [Bg2] auf g8 umgewandelt haben.

Dass [Sg8] gezogen haben muss, ist allerdings schon durch die Stellung der schwarzen Türme klar. Aber können wir bereits entscheiden, ob es sich bei der Umwandlung um einen „Ceriani-Frolkin“ oder einen „Phoenix“ gehandelt hat? Auch das können wir:

Schwarz muss vor der Umwandlung, um [Bg2] den Weg frei zu machen, bereits gxXh6 gespielt haben; in diesen Steintyp X muss Weiß umwandeln — also ein „Phoenix“.

Nun zählen wir die schwarzen Züge: Dabei berücksichtigen wir, dass Schwarz g8 hatte räumen müssen, sofort mit, dann kommen wir auf 5+2+6+5+5+2=25 — alle schwarzen Züge sind verbraucht. Damit wissen wir bereits, dass [Dd8] nur über g8 ihr Zielfeld erreichen konnte, dass die L-Wege genau festgelegt sind. Bei den Türmen ist nur noch nicht klar, welcher [Ta8] ist; ebenso ist dies bei den Springern der Fall: Rückkehr oder Sibling?

Zählen wir nun die minimalen weißen sichtbaren Züge: 2 (Rochade!) +0+3+4+1+3=13 — damit sind noch 13 Züge offen! Jedoch wissen wir bereits von der Phoenix-Umwandlung, und die erklärt mindestens neun weißen Züge: fünf Bauernzüge, Dh5-h6 sowie Dg8-g4(1)-d1 (das wäre damit Pronkin-Thema), und damit bleiben nur vier Züge übrig.

Weitere Informationen erhalten wir, wenn wir wTb2 betrachten: Für den hatten wir zwei Züge gerechnet, jedoch muss dafür [Sb1] weggezogen haben oder der Turm ist über die drritte Reihe auf sein Zielfeld gelangt; beides erfordert zwei weitere Züge, sodass nur noch zwei weiße Züge frei sind.

Schaut man sich den Südwesten an, so so kann man dort rasch verschiedene zeitlichen Abhängigkeiten erkennen, die die Reihenfolge des „Nestbaus“ dort determinieren. Und wenn man dann beginnt zu versuchen, im Vorwärtsspiel die Stellung zu erreichen, so stellt man schnell fest, dass Schwarz bereits recht früh Sg4 spielen muss — das allerdings ist gravierend, da damit unser einfacher Weg der Umwandlungsdame zu ihrem Pseudo-Heim deutlich komplizierter wird. Da kommen ihr plötzlich [Lc1] und [Th1] in die Quere — wie können diese Konflikte in nur zwei zusätzlichen weißen Zügen aufgelöst werden?

Das ist auf den ersten Blick nicht naheliegend und sehr hübsch, wie ich meine!

1.e4 Sf6 2.Dh5 Tg8 3.Dh6 gxh6 4.a4 Tg3 5.Ta2 Ta3 6.g4 Lg7 7.g5 Sg4 8.g6 Lc3 9.g7 La5 10.b4 d6 11.Lb2 Le6 12.g8=D+ Kd7 13.Lh8 Lb3 14.Dg7 Ke6 15.Da1 Sd7 16.Sc3 Sdf6 17.Lc4+ Ke5 18.Ld5 Kf4 19.Sge2+ Kf3 20.OO Dg8 21.Tb1 Dg5 22.Tbb2 Tg8 23.Dd1 Tg6 24.Sb1 Sg8 25.Lc3 Tf6 26.Kh1.

Preisrichter Wolfgang Dittmann schrieb dazu:
In dieser ziemlich komplizierten BP wäre die Pronkin-Dame auf d1 nichts Besonderes, wenn nicht ihre Rückführung ganz überraschend durch eine langgezogene Loydsche Linienräumung (13.Lb2-h8!) ermöglicht würde. Dieses Manöver erschwert es dem sK erheblich, das Feld e5 zu überqueren (doppelter Schachschutz). Die Rückkehr des wSb1 sowie der Sibling sSg8 sind ein zusätzlicher Schmuck.

Ich finde, sehr gut passt dazu auch der „Anti-Loyd“ Tf1-b1-b2 und Da1-d1 — der Weg von g8 nach d1 ist halt sehr verbaut. Insgesamt „sehr viel Inhalt fürs Geld“!

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