Retro der Woche 23/2018

Heute möchte ich gern eine etwas „kleinere“, aber dennoch, wie ich finde, „feine“ Beweispartie vorstellen, die in den Kommentaren der Löser bei der Veröffentlichung recht unterschiedlich bewertet wurde. Da bin ich auf eure Einschätzungen gespannt!

Unto Heinonen
Die Schwalbe 2016
Beweispartie in 19 Zügen (12+15)

 

Beginnen wir sogleich mit der Inventur: Bei Schwarz fehlt ein Bauer, bei Weiß gleich vier. Und gleich fallen die offenen Randlinien auf – und ebenso die schwarzen Doppelbauern „nebenan“ auf der b- und der g-Linie. Da bei Schwarz nur ein einziger Bauer fehlt, können [Bh2] und [Ba2] keinesfalls beide nach innen geschlagen haben, um dich dort zu opfern. Außerdem müssen wir das Schicksal der drei fehlenden Zentralbauern klären.

Schauen wir einmal nach den sichtbaren Zügen: Bei Weiß sind wir schnell fertig mit dem Zählen: 3+0+0+1+1+0=5 – 14 freie Züge. Bei Schwarz kommen wir auf 3+1+0+2+3+6=15 – immerhin noch vier freie Züge.

Soo viel ist offen – aber wir wissen ja schon, dass Umwandlungen erforderlich sind, um die Bauernstruktur zu erreichen. Schwarz kann nicht umgewandelt haben, und bei Weiß sind maximal zwei Umwandlungen möglich, die aber auch nicht unwahrscheinlich: Bei zwei Umwandlungen blieben zusammen vier Züge übrig, um entweder die Originalsteine zu opfern und durch Umwandlungssteine zu ersetzen (Phönix-Thema), oder sofort die Umwandlungssteine zu opfern (Ceriani-Frolkin-Thema). Für das erste reicht ganz offensichtlich die Zeit nicht, beim zweiten könnten damit auch sogleich die schwarzen Doppelbauern auf der b- und der g-Linie erklärt werden.

Dann müssen sich die beiden weißen Zentrumsbauern umgewandelt haben, dann erfolgten beide weißen Umwandlungen auf e8, nach dxe und schlagfreier Umwandlung des [Be2]. Denn anderenfalls müsste ja zunächst ein Schlag der schwarzen Randbauern erfolgt sein – der aber würde wiederum das Phoenix-Thema erfordern, um den Weg frei zur Umwandlung zu machen – das aber haben wir eben schon ausgeschlossen.

Damit sind die weißen Züge schon verbraucht, und Schwarz verfügt noch über vier Züge zum „herausoperieren“ der [Ba2] und [Bh2], die dann auch wegen der bereits verbrauchten Züge von Weiß zu Hause geschlagen werden mussten.

Nach diesen Vorüberlegungen sollte es nicht mehr allzu schwierig sein, die Lösung zu erspielen:

1.d4 b5 2.d5 b4 3.d6 b3 4.dxe7 d5 5.Kd2 Kd7 6.e8=T Kc6 7.Te6+ Kb5 8.Tg6 hxg6 9.Kd3 Txh2 10.e4 Th8 11.Lh6 Dg5 12.e5 Le7 13.e6 Ld8 14.e7 Sd7 15.e8=T Sf8 16.Te6 Se7 17.Tb6+ axb6 18.Se2 Txa2 19.Kd4 Ta8.

Also ein „Future Proof Game“ (zwei Themen doppelt gesetzt, nämlich hier Ceriani-Frolkin und Rückkehr) sehr harmonisch ausschließlich mit Türmen dargestellt. Von der Anlage her relativ einfach, sodass in der Lösungsbesprechung in der Schwalbe beispielsweise Silvio Baier vorschlug, dieses Schema um weitere Themen, etwa doppelte Antipronkins (Originalsteine auf die Umwandlungsfelder) anzureichern – das erscheint mir dann aber doch recht ambitioniert.

Andererseits wurde die Eleganz durch die Nur-Turm-Darstellung gelobt, und Ronald Schäfer ging auf eine technische Feinheit ein: „Schön, wie die potentielle Nebenlösung 1.– a5 2.– a4 3.– b6 durch 9.Kd3 vermieden wird, sodass eine Umwandlungsfigur nicht rechtzeitig nach b3 gelangen kann.“

Ich glaube, es lohnt sich gerade für nicht so erfahrene Komponisten, diese Aufgabe genauer anzuschauen und zu analysieren, um die ganzen Konstruktionskniffe zu durchschauen: Bestimmt recht lehrreich!

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