Retro der Woche 04/2022

Ich muss gestehen, ich habe nicht nur einige Lieblingsaufgaben, sondern auch einige Lieblingsartikel. Immer wieder greife ich gern zu feenschach-Heft 175, wo Andrej Kornilow und Andrej Frolkin den beinahe 20 Seiten langen Artikel “The Pursuit of a Retrocage” veröffentlichten, der sich mit einer speziellen „Käfig-Matrix“ beschäftigt, die auch in abgewandelter Form in 72 Aufgaben vorgestellt wird. Einer meiner Lieblings-Preisberichte ist die „Langfassung“ des 2008er Retro-Berichts der Schwalbe von Nikolas Dupont.

Heute stelle ich eine Aufgabe vor, die in beiden Artikeln zitiert ist.

Andrej Kornilow & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2008, Günter Lauinger gewidmet, 5. Preis
Matt? (14+14)

 

Indem ich Nikolas‘ Kommentare zitiere, möchte ich euch anregen, auch beide Artikel bei Gelegenheit noch einmal zu genießen!

Es handelt sich hier um eine Aufgabe, bei welcher ein wohlbekannter Käfig zur Anwendung kommt. Dieser wurde von den Autoren erfunden und vielfach ausgenutzt (vgl. deren Artikel „Pursuit of a Retrocage“, feenschach 175, 2009, wo die vorliegende Arbeit unter der Nummer 58 erwähnt wird). Die Bearbeitung zeugt von Originalität, ist finessenreich und rechtfertigt eine hohe Einstufung.

Um zu zeigen, dass die Stellung tatsächlich matt ist, muss man sie für einen stichhaltigen Legalitätsnachweis auflösen. Wie im 2. Preis werden Schilde verwendet, doch deren Motivation beschränkt sich nicht alleine auf Schachschutz, sondern besteht vornehmlich in der Bereitstellung von Tempi, die für die Entriegelung der Stellung benötigt werden.

Die weißen Originalbauern e2 und f2 haben die zwei fehlenden schwarzen Figuren über Kreuz geschlagen, um hinter die schwarzen Originalbauern e7 und f7 zu gelangen. Das ganze weiße Lager ist bis auf den König blockiert, der zwischen f8 und g8 oszillieren kann, und die zwei Bauern auf der a- und der h-Linie, die entschlagen werden können. Nach dem ersten erzwungenen Retrozug Tg5-g6# ist das schwarze Lager ebenfalls blockiert, bis auf den freien Springer e1 und die möglichen Züge Ta7-b7 und Ba7-a6.

Schwarz hat nun folgenden Plan für die Stellungsauflösung: Entschlag eines weißen Bauern auf a6, dann Schachschutz durch den Springer, um dem Turm a7 ein Tempo anzubieten (Dreiecksmanöver) . Danach soll der zweite weiße Bauer auf h3 entschlagen werden, um ein weiteres Tempo zu schöpfen, dann Schachschutz auf f8 mit dem thematischen Springer, schließlich Nutzung der gewonnenen drei Tempi für die Befreiung der weißen Steine!

Es ist wichtig, dass folgender Umstand beachtet wird: b2-b3 kann vorläufig nicht zurückgenommen werden, da der Läufer noch nicht auf c1 steht; der auf a6 entschlagene Bauer kann nicht weiter als bis a4 zurückziehen, weil seine Platzierung auf a3 die Rückkehr eines Turms nach a1 ausschließen würde. Von daher ergibt sich für den Schwarzen die Notwendigkeit, für Weiß im Osten ebenfalls ein Tempo zu gewinnen, da er ja im Westen nur zwei Tempi schöpfen kann.

Auflösung

R 1.Tg5-g6# Tb7-a7 2.Kg8-f8 a7-a6 3.-5.Kf8>g8 Sa6>e1 6.Kg8-f8 Sc5xa6 7.-9.Kf8-g8 Se8>c5 10.Kg8-f8 Tb8-b7 11.Kf8-g8 Tc8-b8 12.Kg8-f8 Td8-c8 13.Kf8-g8 Tb8-d8 14.Kg8-f8 Tb7-b8 15.-18.Kg8>g8 Sh3>e8 19.Kf8-g8 Sf4xh3 20.Kg8-f8 Sg6-f4 21.a5-a6 Sf8-g6 22.a4-a5 Te8-e7 23.h2-h3 Ke7-f6 24.Tg6-g5 – Weiß ist befreit!

Übrigens: Den von Nikolas erwähnten zweiten Preis in diesem Informalturnier hatte ich hier als Retro der Woche 46/2018 schon vorgestellt.

One thought on “Retro der Woche 04/2022

  1. Nice ‘triangulation’ by Ta7 after shielding by Se1 on e8.
    The sequence of the shielding and the uncaptures on a6 and h3 is not determined. Black could also shield first, then uncapture Ph3, and finallly Pa6, I believe.

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