Retro der Woche 14/2021

Beim Andernach-Treffen 2008 hatten Hans Gruber, Ulrich Ring und ich vereinbart, uns als „Richter-Kollektiv“ anzubieten, um noch ausstehende Preisberichte zu erstellen — nicht nur für Die Schwalbe, sondern auch für andere Zeitungen.

Für das Jahr 2005 war in der Schwalbe kein Retro-Preisrichter benannt worden, sodass wir Anfang 2010 diese Aufgabe übernahmen; in Andernach haben wir nach vorheriger Diskussion per Mail die Schluss-Abstimmung vorgenommen.

Heute möchte ich aus diesem qualitativ hervorragenden Turnier den ersten Preis vorstellen; die Aufgabe gehörte zu den sechs, die Reto Aschwanden zum WCCI 2004—2006 einreichte, bei dem er den Weltmeistertitel im Komponieren von Retros gewann.

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 2005, 1. Preis
Beweispartie in 20 Zügen (14+11)

 

Bei Schwarz sind nur zwei Züge des Königs sichtbar, ansonsten scheint es so, als müsse sich Schwarz „nur“ um das Schlagenlassen seiner fünf fehlenden Steine (beide Läufer, drei Bauern) kümmern.

Bei Weiß hingegen sind im Diagramm alle 20 erforderlichen Züge sichtbar, bis auf wenige Ausnahmen (Bg6, Sh2) sind auch die „Zugwege“ aller weißen Steine erkennbar.

Wie sehen bei Weiß 2+2+3+2+4+7=20 Züge, wobei wie die lange Rochade voraussetzen, da ohne sie die Stellung nicht in der maximalen Zügezahl erreicht werden kann. Damit ist auch klar, dass die beiden fehlenden weißen Bauern zu Hause geschlagen worden sind.

Auch konnten wegen der weißen Zugwege weder [Ba7] noch [Bd7] direkt von Weiß geschlagen worden sein, sie müssen sich also umgewandelt haben und dabei [Bb2] sowie [Bc]2 auf deren Ursprungsfeldern geschlagen haben.

[Be7] konnte (nur) auf e4 geschlagen werden, damit bleiben Schwarz wegen der beiden Königszüge noch sechs Züge Zeit, die beiden Umwandlungssteine sowie [Lc8] und [Lf8] loszuwerden. Beide Originalläufer benötigen je zwei Züge, um sich schlagen zu lassen, für die Umwandlungssteine stehen dann zusammen nur noch zwei Züge zur Verfügung.

Da können wir erkennen, dass sich ein Umwandlungsläufer (keine Dame wegen Schachs) auf g6 geopfert hat. Und der auf c1 entstandene Umwandlungsstein muss ebenfalls ein Läufer sein, der sich nur auf d2 opfern konnte. Die theoretische Möglichkeit von Schnoebelen-Umwandlungen können wir wegen der notwendigen langen Rochade gleich ausschließen.

Damit bleibt „nur noch“ zu bestimmen, wo die beiden schwarzen Original-Läufer sterben konnten. Als mögliche Felder bleiben nur sehr wenige übrig; die Auswahl lässt sich mit Überlegungen zur erforderlichen Zugreihenfolge weiter einschränken, bis nur noch jeweils ein Feld (ein ziemlich überraschendes!) übrig bleibt.

Lösung

(Die Kommentare in der Lösungsangabe sind https://www.kunstschach.ch/wcci0406.html entnommen.)

Im Preisbericht hatten Hans, Ulrich und ich geschrieben: „Zweimal Ceriani-Frolkin-Läufer (einmal dabei Schlag durch eine Figur) auf benachbarten Feldern, zweimal Anti-Pronkin. Toll, daß die Anti-Pronkin-Läufer nach dem Eintreffen auf dem Umwandlungsfeld sofort geschlagen werden: Es lohnt sich zu untersuchen, warum das nur auf den vorherigen Umwandlungsfeldern und nicht irgendwo anders auf dem Brett klappt.“

eine sehr zugökonomische, strategisch großartige Aufgabe!

5 thoughts on “Retro der Woche 14/2021

  1. Ich war damals schon froh, dass ich das mit einem Prentos Stein zusammenbekommen habe (Prentos war gar nicht mein Ziel, ich wollte einfach die Anti-Pronkins mit den Schlägen zeigen). Der eine Prentos war damit eher Zufall, aus der Not geboren…

    Ich finde die Aufgabe mit den beiden Prentos Figuren auch grosse Klasse.

  2. Es ist wirklich toll, was Reto in seiner hochaktiven Zeit an Meisterwerken produziert hat. Dieses hier lag völlig verdient ganz vorn im Turnier. Trotzdem darf man ja träumen. Während der Umwandlungsläufer auf c1 durch einen Offizier beseitigt wurde, geschah der entsprechende Schlag des Lb1 durch einen Bauern. Kann man diesen doppelten Anti-Pronkin nicht durch zweimal Prentos aufhübschen? Mit der P1243394 gelang das tatsächlich und dazu noch in deutlich weniger Zügen. Das soll Retos Leistung keinesfalls schmälern, denn nachmachen ist immer einfacher.

      • Das sehe ich ähnlich. Aus meiner Sicht ist P1243394 albumwürdig. Wenn auch der Fortschritt nicht übermäßig groß angesehen wird (ich bin anderer Meinung), so formt dieser zusammen mit der brillanten Form/Ökonomie ebenfalls ein Meisterwerk.

  3. A wonderful doubling of Anti-Pronkin.
    Too difficult to solve for me, but Euclide 1.01 had an easy time:
    5 minutes for the unique solution in 20 moves, and another 2 minutes to verify that 19.5 moves do not suffice.

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