Retro der Woche 48/2020

Ende August 2010 hatte mich die Problemblad-Redaktion gebeten, die beiden Retro-Jahrgänge 2007 und 2008 zu richten; bis dahin war noch kein Richter benannt. Beide Jahrgänge waren quantitativ recht dünn besetzt (nur 11 bzw. 18 Urdrucke), speziell der 2008-Jahrgang enthielt allerdings überdurchschnittlich viele hervorragende Aufgaben, von den ich heute und in den nächsten zwei Wochen die drei erstplatzierten vorstellen möchte.

Unto Heinonen
Probleemblad 2008, 2. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (15+13)

 

Beim Blick aufs Diagramm fällt sicherlich sofort der sTc1 auf: die erste Idee dazu ist vielleicht „Ta1-c1 d2xc1=T“, aber dann sehen wir, dass Weiß noch 15 Steine hat und der fehlende – gerade ein Turm – auf f6 geschlagen werden musste. Also kann sTc1 nur via d1 gekommen sein, und dafür müssen wDd1 und wKe1 Platz geschaffen haben, gleichzeitig muss wohl der fehlende Turm über d1 sein Nest verlassen haben.

Bei Schwarz fehlen [Bb7], [Bd7] und [Bh7]; keiner von ihnen kann geschlagen haben, alle müssen also auf ihrer Line verschwunden sein, gleichzeitig muss dxc3 möglich werden. Das klappt nur, wenn [Bd7] auf d1 umwandelte, nachdem auf c3 ein entsprechender schwarzer Stein geschlagen wurde; der Verdacht ist natürlich, dass dies ein schwarzer Turm war. Die beiden anderen fehlenden schwarzen Bauern wurden offensichtlich von weißen Figuren geschlagen.

Nun zählen wir die weißen mehr oder weniger sichtbaren Züge: 2+2+3+4+2+3=16 – bleiben noch sechs frei. Dabei habe ich schon die Rückkehren von [Sb1], [Dd1] und [Ke1] für den ebenfalls einkalkulierten Weg des [Ta1] sowie für sTd1-c1 (deswegen zwei Züge für [Ke1]) mitgerechnet.

Bei Schwarz erkennen wir 1+1+10+3+4+1=20, damit ist noch ein Zug frei. Hier habe ich die schwarze lange Rochade vorausgesetzt (ohne Rochade kann Schwarz die Stellung nicht mit 21 Zügen erreichen) und bei den Türmen bereits zwei Züge für das Opfer auf c3 sowie sechs Züge für die Umwandlung des [Bd7] auf d1 mit dem minimalen Td1-c1 eingerechnet.

Nun empfehle ich euch, Überlegungen zu Abhängigkeiten von Zugreihenfolgen anzustellen, bevor ihr versucht, die genaue Zugfolge herauszubekommen. Dabei werdet ihr dann feststellen, dass ihr ein sicher nicht erwartetes Tempomanöver benötigt — und dass auch bei den Türmen nicht alles so sein kann, wie es scheint!

Lösung

Bitte ehrlich: Hattet ihr beim Blick auf das Diagramm damit gerechnet, dass insgesamt fünf weiße Rückkehren nötig seien? Und vor allen Dingen: Hattet ihr mit der weißen Rochade als Tempomanöver gerechnet? Und hattet ihr mit dieser Rollenverteilung der schwarzen Türme gerechnet?

3 thoughts on “Retro der Woche 48/2020

  1. I wonder if the castling/uncastling maneuver in Unto’s problem should really be called a tempo maneuver. I would think not, because the game score (solution) cannot be replaced with a “virtual” solution that includes at least one passed move, that is, a solution using rules of Passing Chess which has the rules of chess but in which passes are allowed. For example, in Gianni Donati’s pg 14.0, P0008848 in the pdb, all five moves performed by the wK and wKR could be replaced by five passes, to have a “virtual” solution, so the castling/uncastling is clearly tempo.
    There is no such “virtual” solution for Unto’s diagram, no “waste” of moves is required by the castling and uncastling — the maneuver is needed for clearance: the wQ must move to e1.
    I would be pleased to hear others agree or disagree with this view of tempo!

  2. A very delightful proof game, where many things are not quite what you expect at first sight.
    C+ by Natch 3.1.
    It is really too bad that problems published in 2008 were not judged until 2020, but better late than never.

    • Henrik, that’s not quite correct: Probleemblad asked me at August 31, 2010 to judge 2007 and 2008 retros, and I completed both awards in October 2010. If I remember correctly, they were published in 2011 — the only thing I missed was to cite my own award here not before 2020, but better late than never. 🙂
      (I just corrected the error in the beginning of the “Retro der Woche”: Not 2020, but 2010!)

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