Retro der Woche 10/2024

Zum Abschluss unserer Tour durch den Retro-Preisbericht der Schwalbe in den letzten Wochen möchte ich euch einen Verteidigungsrückzüger vorstellen, der nach meinem Eindruck sehr originell „logische“ VRZ-Strategie mit klassischen Elementen der Retroanalyse verbindet: eine höchst interessante Verbindung, mit der sicher noch manche originelle und tiefgründige Ideen darstellbar sind.

Das ist immer schwer zu sagen, aber nach meinem Geschmack gehört gerade deswegen das heutige Stück eher in die Preisränge, als „nur“ mit einer ehrenden Erwähnung ausgezeichnet zu werden.

Sergio Orce
Die Schwalbe 2003, 1. ehrende Erwähnung
#1 vor 4 Zügen, VRZ Proca (12+8)

 

Die Idee ist, „irgendwie“ Th8-h1 zurückzunehmen; sodass Schwarz dann einen Königs- oder Turmzug auf der achten Reihe zurücknehmen muss, wonach R: 1.Lh7-g8 & vor: TxT# zum Ziel führt.

Dem steht aber zunächst noch die schnöde Königsflucht entgegen: Wenn wir unseren Hauptplan gleich ausführen, kann Schwarz einfach mit R: 1.– Kd7-c8 oder auch Rücknahme der langen Rochade seinen König dem Mattnetz entziehen. Dagegen können wir leicht etwas tun, indem wir die siebte Reihe zumauern:

Das schaffen wir einfach mit R: 1.f5xe6 e.p. e7-e5 2.Ke5-e4(?) d7-d6+, und wir haben unser Ziel erreicht, aber R 3.Th8-h1 scheitert etwa am Entschlag eines weißen Springers im dritten schwarzen Rücknahmezug, und der steht nun störend im Weg, sodass das Matt vor vier Zügen damit verhindert ist.

Also müssen wir unseren Angriff verstärken – durch R: 2.Ke5xBe4! Nun hat sBe4, von h7 kommend, drei der vier fehlenden weißen Steine geschlagen; der zusätzlich fehlende [Lc1] (Felderfarbe!) wurde anderweitig geschlagen, aber garantiert nicht auf der achten Reihe. Damit sind die Schlagopfer des [Bh7] die weiße Dame, der umgewandelte [Bh2] sowie auf e4 der [Bd2]. Und bei Weiß haben wir nun also drei Bauernschläge (bxa, dxe und exf) sowie die Schläge der beiden schwarzen Läufer zu Hause, somit ist noch ein Schlag frei.

Und nun können wir endlich R 3.Th8-h1 zurücknehmen und sind damit am Ziel, denn Schwarz kann nun nicht mehr entschlagen. Oder??

Lösung

Nein, denn Schwarz verteidigt sich mit R: 3.– 0-0-0!! Nun muss Weiß vor der “offensichtlichen“ Mattsetzung Lh7# noch seinen 4. Retrozug spielen und wegen Retropattgefahr eine Figur entschlagen. Von den sechs theoretisch möglichen Schlagzügen SxDd8(c8/b8), Sxc8, SxLf8, bxa, dxe und exf ist jetzt aber nur 4.b4xTa5 möglich, denn 4.b4xSa5?? führt überraschend zu Retropatt. Wegen des Schachgebots durch den schwarzen Turm ist die Mattsetzung im Vorwärtsspiel verhindert!

Weiß muss seinen Angriff also noch einmal verbessern: R: 3.Th8xSh1!!, denn nun wird die schwarze Dame außerhalb der achten Reihe als Schlagopfer benötigt und damit ist das Rochaderecht verwirkt, da sie nur über die h-Linie nach draußen kommt, und dafür muss ihr der schwarze König Platz gemacht haben.

Zusammengefasst haben wir also die Lösung R: 1.f5xe6 e.p. e7-e5 2.Ke5xBe4! d7-d6+ 3.Th8xSh1! Kb8-c8/T~-d8 4. Lh7-g8 & vor: 1.TxT#.

Das finde ich schon klasse, wie Schwarz sich „retroanalytisch“ zu verteidigen sucht und Weiß dies ebenso retroanalytisch durchkreuzt.

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