Retro der Woche 52/2021

In den letzten Wochen haben wir uns intensiv mit der Geschichte der Längenrekorde eindeutiger Beweispartien beschäftigt, die dann gestern hier ihren Höhepunkt im neuen Rekord fand.

Darum möchte ich heute einerseits die Retro-Art wechseln, andererseits auch ganz aktuell werden; ich möchte euch heute einen orthodoxen Verteidigungsrückzüger vorstellen, der im Juni 2021 in der Schwalbe veröffentlicht wurde und mir sehr gut gefällt. Ihr erinnert euch? Beim Typ “Proca” bestimmt die schlagende Partei, welcher gegnerische Stein geschlagen wurde.

Joaquim Crusats
Die Schwalbe 2021
#1 vor 6 Zügen, VRZ Proca (15+12)

 

Bei so vielen Steinen auf dem Brett, von denen wahrscheinlich einige nicht am Rückspiel bzw. dem Matt teilhaben werden, lohnen sich häufig ein paar retroanalytische Überlegungen vor.

Umwandlungen haben nicht stattgefunden, da alle 16 Bauern auf dem Brett stehen. Bei Weiß fehlt nur [Lf1], der auf b5 geschlagen wurde. Bei Schwarz fehlen Dame, Turm, (schwarzfeldriger) Läufer und Springer; die weiße Bauernstellung verrät nichts über mögliche Schlagfelder.

Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass Schwarz retropatt ist, er im Moment überhaupt keine Zugrücknahme zur Verfügung hat.

Also müssen wir mit dem Schlüssel Schwarz eine Rücknahme ermöglichen, um uns dann um das Matt zu kümmern.

Das Matt könnte D:b7# sein, nachdem wir den sTb6 beispielsweise durch Zugzwang von der b-Linie weggelenkt und c5-c6 zurückgenommen haben.

Also Hauptplan: R: 1.a5-a6 Ta6-b6 2.c5-c6 & vor : 1.D:b7#. Schwarz kann nicht 1.—a6:Lb5 zurücknehmen, da das zu einer illegalen Stellung führt: wTa7 kommt nicht mehr in den Süden und sTb6 nicht mehr in den Norden.

Das aber ist nicht etwa eine Kurzlösung, denn Schwarz verteidigt sich mit 1.—Ka8-b8!, und Weiß muss Ta6:Xa7+ zurücknehmen. X kann einer der fehlenden schwarzen Offiziere sein.

Wie kann nun Weiß diese Verteidigung ausschalten? Indem er in einer (vierzügigen) Vorplan-Staffelung alle fehlenden schwarzen Offiziere entschlägt – natürlich so, dass Schwarz nicht retropatt ist und gleichzeitig die entschlagenen Offiziere nicht störend eingreifen können.

Das wollt ihr jetzt sicherlich selbst herausfinden? Allzu schwer sollte das nicht sein!

Lösung

Hauptplan: R: 1.a5-a6 Ta6-b6? 2.c5-c6 & vor : 1.D:b7#, aber 1.– Ka8-b8! (1.– a6:Lb5 ist illegal wegen der Türme)
Lösung: R : 1.Ta3:Ta4 Ta5-a4 2.Lg1:Lh2 Ta4-a5 3.Df3:Dh1 Ta5-a4 4.Sg2:Sh4 Ta4-a5 5.a5-a6! Ta6-b6 (5.– Ka8-b8?) 6.c5-c6 &amp ; vor: 1.D:b7#.

Der Autor beschreibt selbst den Inhalt der Aufgabe: „A logical Proca retractor with a foreplan based on the consecutive uncaptures of the four possible ‘officer: homologous-officer’ combinations (special Allentschlag). The uncaptured units are not promoted, do not give check, and are not pinned. Economy of moves to show the theme in pure logical form.“ Und auch Beweispartie-Spezialist Silvio Baier fand Gefallen an dem Stück: „Ein sehr nettes lösbares Ideenproblem. Allentschlag, um die gute schwarze Parade auszuschalten. Dabei sind die schwarzen entschlagenen Steine alle irgendwie eingekerkert. Das macht Laune.“

Und auch mir gefällt es sehr gut! Und sicher habt ihr schon längst untersucht, wieso die Reihenfolge der Entschläge eindeutig ist?! Und die Freunde des neudeutschen Schachproblems haben sich sicherlich schon Gedanken über die Zweckreinheit der Vorplan-Staffelung gemacht?

2 thoughts on “Retro der Woche 52/2021

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