Retro der Woche 42/2014

Auf der Schwalbe-Tagung in Dresden hat Silvio Baier einen Vortrag über das Lois-Thema („Platzwechsel und zurück“) in Beweispartien gehalten. Leider konnte ich den Vortrag nicht mehr vor Ort mitverfolgen, da ich mich wieder auf den Heimweg ins Rheinland machen musste: Meine Befürchtung, dass nach dem langen Feiertags-Wochenende sich die Fahrt recht Stau-intensiv gestalten würde, war leider nicht ganz unbegründet.

Jedoch hat Silvio mir die Aufgaben dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, und die in seinem Vortrag dritte Aufgabe möchte ich heute vorstellen; auf eine andere dieses Vortrages werde ich später noch zurückkommen.

Michel Caillaud & Joachim Iglesias
J. Lois 60, Turnier 2007, 3. Preis
Beweispartie in 16 Zügen (16+13)

 

Betrachten wir die fehlenden Steine, so sehen wir, dass bei Schwarz zwei Bauern und der weißfeldrige Läufer fehlen. Der muss auf h3 geschlagen worden sein. Der fehlende [sBe7] muss auf der e-Linie geschlagen worden sein, der [sBg7] muss sich auf g1 umgewandelt haben, um dann entweder selbst auf c3 geschlagen zu werden oder den dort geschlagenen schwarzen Stein zu ersetzen.

Zählen wir nun einmal die schwarzen Züge: das sind 1+2+1+2+2+6 – hierbei habe ich berücksichtigt, dass sLc8-h3 erfolgt sein muss; außerdem habe ich den Weg des [wBg7] nach g1 mitgezählt. Damit bleiben zwei Züge für den Umwandlungsstein auf g1 – und die braucht er auch, denn eine Schnoebelen-Umwandlung auf g1 können wir, da [wKe1] nicht entsprechend gezogen haben kann, ausschließen.

Damit hat sich der Umwandlungsstein entweder selbst auf c3 geopfert (zwei Züge), oder ersetzt den Stein, der sich auf c3 geopfert hat, in ebenfalls zwei Zügen. Dann kann sich nur die [sDd8] auf c3 geopfert haben; auch sie hatte dann zwei Züge zur Verfügung, so dass die 16 schwarzen Züge aufgehen. Somit wissen wir auch, das [sBe7] zu Hause geschlagen worden ist.

Nun betrachten wir die weißen Züge: Sieben sind auf dem Brett sichtbar, dazu wissen wir, dass [wSg1] seinen Platz für die Umwandlung geräumt haben (das kann nur nach f3 gewesen sein, da zur Umwandlung bereits gxLh3 gespielt worden sein muss) und anschließend zurück gekehrt sein muss, also mindestens neun weiße Züge sind klar, so dass noch sieben Züge frei sind.

Eine ungerade Anzahl von Zügen also, ohne in der Diagrammstellung etwas zu ändern – wir benötigen also einen weißen Stein, der ein echtes Tempo verlieren kann; einfache Rückkehren reichen ja nicht aus.

Klar, das muss [wLc1] gewesen sein?! Das wäre zu offensichtlich, aber das kann nicht funktionieren: Entweder hat sich der Umwandlungsstein auf c3 geopfert, dann konnte vorher der [wLc1] noch nicht aus seinem Käfig ausbrechen. Hat sich hingegen die Originaldame auf c3 geopfert, muss erst die Umwandlungsdame von nach g1 nach a3 marschiert sein. Wir wissen, dass sie dafür nur zwei Züge Zeit hat, also ging das nur via g3, so dass zu diesem Zeitpunkt c3 noch frei sein, der [wLc1] also noch eingesperrt sein muss.

Also kann das Tempospiel nur auf dem Königsflügel erfolgen. Hier allerdings ist der [wLf1] durch den wSf3 eingeklemmt, so dass er keine Tempozüge machen kann – außerdem müssen wir berücksichtigen, dass auf g1 eine Dame oder ein Turm (nur diese Steine könnten c3 in zwei Zügen erreichen) umgewandelt haben, so dass zu diesem Zeitpunkt Weiß f1 besetzt haben muss, um das Schachgebot abzudecken.

Also bleibt nur der [wTh1] für den Tempoverlust übrig: entweder h1-g1-f1-h1 oder h1-f1-g1-h1. Dafür allerdings muss [wLf1] seinen Platz räumen und gleichzeitig die g-Linie frei halten.

Genau das ist dann das Motiv für die Darstellung des Lois-Platzwechsels mit den beiden Themasteinen [wLf1] und[wTh1] – Tempomangel ist nun wirklich sehr subtil!

Und nun sollte die eigentliche Lösung nicht mehr allzu schwierig sein; die thematischen Züge habe ich durch Ausrufezeichen markiert:

1.Sc3 g5 2.Sd5 g4 3.Sxe7 g3 4.Sg6 Lc5 5.Sf3 d6 6.Tg1! Lh3 7.gxh3 Se7 8.Lg2 Tg8 9.Lh1! g2 10.Tf1! g1=D 11.Sh8 Dg3 12.Lg2 Sg6 13.Th1! Df6 14.Sg1 Da3 15.Lf1! Dfc3 16.bxc3 Ke7.

Silvio hat die Beweispartie in einer „abgekürzten“ Form vorgestellt und den letzten schwarzen Zug weggelassen – ehrlich gesagt kann ich auch nicht so ganz verstehen, wofür der abschließende Königszug noch gut sein mag: Inhaltlich hat er überhaupt keine Relevanz, und wir sollten uns alle daran gewöhnt haben, dass eine Beweispartie sowohl nach einen schwarzen als auch nach einem weißen Zug enden kann.

Oder wie seht ihr das?

5 thoughts on “Retro der Woche 42/2014

  1. I agree with Silvio: a wonderful problem.
    I also agree with Thomas: 16… Ke7 should be deleted; it serves no purpose, and it violates what you might call length economy.

    • The move 16….Ke7 is essential for the problem idea, otherwise the whole reason for White’s plan, which is to lose a tempo, is not necessary.
      For example, try the position without 16…Ke7 and you will understand that it can be done in 15 moves (instead of 15.5). In other words, adding a 16th black move makes the tempo idea work.

      Although one of my joint problems was ranked higher in the same tourney (and was even selected in the FIDE album), I would love to have composed this little gem, instead.

      • Indeed, without 16.– Ke7 you had to change the stipulation to “proof game in EXACTLY 15.5 moves”, since there exist solutions in 15.0 moves in the diagram position with bKe8.

  2. Das Lois-Thema mit schlagfreien Zügen der Themafiguren ist eine große Herausforderung und für viele Figurenkombinationen noch ungelöst. Der König scheint (zumindest für einfarbige Kombinationen) am geeignetsten, da viele Möglichkeiten (Schachschutz, Rochade) zur Motivation existieren.
    Das Tempomanöver hier ist wohl die tiefgründigste Motivation überhaupt, was die Aufgabe zu einem Meisterwerk macht.
    Bezüglich einer zweifarbigen Darstellung des Themas ohne Schlagzüge der Themafiguren möchte ich Thomas nicht vorgreifen, aber die Komponisten motivieren, weiter zu suchen. Außer T-t-Lois scheint es noch nichts auf diesem Gebiet zu geben.

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