Retro der Woche 22/2025

Bleiben wir, wie in der letzten Woche angekündigt, noch bei den ehrenden Erwähnungen aus dem Retro-Preisbericht der Schwalbe aus dem Jahr 2002.

Mit der 2. ehrenden Erwähnung hatte ich einen Proca-Verteidigungsrückzüger mit der Bedingung “Anticirce” (Der schlagende Stein wird auf sein circensisches Wiedergeburtsfeld versetzt; ist dieses besetzt, ist der Schlag unzulässig. Beim hier verwendeten Typ Cheylan darf ein Stein, der auf dem Wiedergeburtsfeld des “Schlägers” steht, nicht geschlagen werden.) von Wolfgang Dittmann ausgezeichnet. Er war einer der Pioniere dieser damals noch recht neuen Aufgabenart und hat dieses Stück bezeichnenderweise Klaus Wenda gewidmet, der diese Kombination von Forderung und Bedingung eingeführt hatte.

Wolfgang Dittmann
Die Schwalbe 2002, 2. ehrende Erwähnung
Matt vor 7 Zügen, VRZ Proca, Anticirce Typ Cheylan (5+8)

 

Wegen der vielen Entschlagmöglichkeiten (hier kann gemäß der Regeln Weiß beinahe beliebige Schlagzüge zurücknehmen, z.B. Be5xSd6 oder Kg7xTh6) sind Aufgaben dieses Typs zumindest am Anfang recht schwierig zu lösen, jedoch gibt es auch hier Strategien, die sich bewährt haben, um solche Aufgaben korrekt zu halten – und die zu kennen ist auch für Löser wichtig. Deswegen hatte Wolfgang Dittmann einen Artikel “Lösungsstrategien im Verteidigungsrückzüger mit Anticirce-Bedingung” Die Schwalbe, Dez. 2003, S.277-284 und einen Nachtrag Die Schwalbe, Juni. 2004, S.447-448, der auch heute noch höchst lesenswert ist, veröffentlicht.

Es ist im ersten Moment schwierig, sich vorzustellen, welcher weiße Stein mattsetzen könnte. Schwarz wird ihm nicht den Gefallen tun, einen möglichen Mattstein zu entschlagen, mit den Bauern und dem Springer ist es sehr unwahrscheinlich.

Was bleibt also als Mattstein? Der weiße König! Und das kann funktionieren: Stellen wir in Gedanken den weißen König nach b6, so ist das erst einmal illegal, weil beide Könige im Schach stehen. Wäre aber das Feld e8 besetzt, böte der schwarze König seinem weißen Kollegen kein Schach. Und wäre e1 frei (und auch nicht von einem schwarzen Stein zu besetzen), so wäre Schwarz matt!

Im Diagramm sehen wir schon zwei Fesselungen weißer Steine: wSb1 durch sTa1 und wBf2 durch sLh4. Diese Schachgebote (neben verschiedenen Anderen, die durch Entschlägt schwarzer Steine im Zuge der Lösung entstehen,) kann dann bei geschickter Wahl nur die Dame parieren, indem sie die Ursprungsfelder der schachbietenden schwarzen Steine besetzt – sie bildet damit quasi die Vordersteine von schwarzen Batterien etwa eines Turmes oder eines Läufers.

Wollt ihr nun den sicher sehr reizvollen Königsmarsch Richtung b6 zu ergründen suchen? Viel Spaß und erfolg dabei – und vielleicht lest ihr zum Aufwärmen den oben zitierten Artikel?!

“Lösung”
1.Kc3xTc2! Tb2-c2+ (2.Se1xTc2? wäre verfrüht, weil Schwarz das Schach nicht aufheben kann) 2.e5xf6ep f7-f5 (die Diagonale ist unterbrochen) 3.Se1xTc2 Dh8-a8+ (nun kann sich der wK annähern, während die sD pendeln muss) 4.Kc4-c3 Da8-h8+ 5.Kc5-c4 Dh8-a8+ 6.Kb6-c5! (deshalb musste im 2. Zug e1 besetzt werden) Le8-d7+ (Weiß hat sein Ziel fast erreicht, aber sowohl Ta1 als auch Lh4 zielen noch nach e1) 7.f2xSe3! (7.f2xBe3 illegal) & vor 1.Se1xTc2(b1)#

Und besonders hübsch: die thematische Verführung scheitert an einem Matt des weißen Königs, also einer “Vorwärtsverteidigung” des Schwarzen: 1.g5xf6!? Df8-a8 2.Kc3xTc2 (2.Kc5xXxx? mit sofortigem Matt durch Schwarz) Dh8-f8! 3.Kc4-c3 Da8-h8 4.Kc5-c4 Dh8-a8 5.Se1xSd3 Sb4-d3 6.Kb6-c5 De8-h8 & vor 1.– Dd8#

Die Königsleiter mit Selbstschach ist typisch für viele solche Aufgaben, sie beschäftigt Schwarz, der die Schachgebote Schwalben-gleich mit seiner Dame zurücknehmen muss – und dann erfreut uns noch eine Rückkehr des weißen Springers. Der Mattzug ist also eine Art “Batterieabzug” mit dem weißen König als Hinterstein (!) – nicht vom Bewegungsbild her, aber vom zugrunde liegenden Gedanken.

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