Retro der Woche 01/2021

Günther Weeth war in der Retrowelt besonders bekannt für seine tiefgründigen und phantasievollen Anticirce-Verteidigungsrückzüger, die er mit vielen neuen Ideen versah. Dabei wird oft vergessen, dass er gelegentlich auch auf klassischen Retrowegen unterwegs war — ein solches Beispiel möchte ich in Erinnerung an Günther heute vorstellen.

Andrej Frolkin & Günther Weeth
Die Schwalbe 2010
Löse die Stellung auf! (13+14)

 

Die beiden fehlenden schwarzen Steine wurden Opfer des Doppelbauern auf der c-Linie; der seinen Ursprung in [Ba2] oder [Be2] hat. Damit muss der fehlende [Bg7] umgewandelt haben, was einen Schlag kostet; die beiden anderen Schläge durch Schwarz waren exd sowie im letzten Zug Db3xXb2+. Auch der fehlende weiße Bauer muss umgewandelt haben, um geschlagen werden zu können. Das muss also [Be2] gewesen sein, da die beiden a-Bauern nicht aneinander vorbeikommen konnten.

Daher kann der Knoten im Westen erst mittels e3xXd2 aufgelöst werden, wenn [Be2] entwandelt und nach e2 zurückgezogen hat — vorher muss auch [Lf1] nach Hause gekommen sein.

Weiß muss also auf e8 und Schwarz auf h1 entwandeln (auf f1 geht das nicht, da Weiß nicht genug Zeit hat, das Manöver f2-f1=X, f3-f2, g4xLf3 zu ermöglichen), dann [Lf1] entschlagen; wL und wB kehren dann auf ihre PAS-Felder zurück, und erst danach kann sBe3xXd2 zurückgenommen werden. Als wUW-Figur kommt dabei nur die Figur infrage, die Schwarz im ersten Rückzug auf b2 entschlägt. Diese muss dann durch einen schwarzen Schild ersetzt werden, was nur ein sS leisten kann. Auf b2 muss dann zwingend eine wD entschlagen werden, weil nur sie aus der SW-Ecke heraus-kommt.

Zum Zeitpunkt der Entwandlung dieser Dame auf e8 muss also ein Schild für den sK bereitstehen. Das muss die schwarze Figur sein, die danach auf h1 entwandelt; wegen dieser beiden Aufgaben kann dies nur ein sS leisten (sD/T böten dem wK von h1 aus Schach). Schließlich muss Weiß darauf achten, den Heimweg des [Th1] offen zu halten (d.h. der weiße h-Bauer darf maximal bis h4 zurückziehen). Damit ist bis auf einige Vertauschungen bei den wB-Rückzügen die Auflösung eindeutig, denn in der Stellung mit wDe8, sSc8 muss Weiß noch sieben Rückzüge bereithalten, wovon die wD nur 4 liefern kann: 4 für Se8-h1, 2 für sBh3-h2-h1=S, 1 für sBg4:Lh3, weil nach diesem Entschlag der wL noch nicht sofort ziehen kann.

Damit sollte es nun nicht mehr allzu schwer sein, die Zugfolge der Auflösung zu entwickeln:

Lösung

R 1.– Db3xDb2+ 2.f4-f5 Sf5-g7 3.b5xSc6 Se3-f5 4.f3-f4 Sd1-e3 5.Dc1-b2 Sb2-d1 6.De1-c1 Se7-c6 7.De2- e1 Sc8-e7 8.De8-e2 Sd6-c8 9.e7-e8=D Se4-d6 10.e6-e7 Sg3-e4 11.e5-e6 Sh1-g3 12.e4-e5 h2-h1=S 13.e3-e4 h3-h2 14.f2-f3 g4xLh3 15.h4-h5 g5-g4 16.Lg4-h3 g6-g5 17.Le2-g4 g7-g6 18.Lf1-e2 h7-h6 19.e2-e3 e3xSd2 usw.

Während ich mich bei der Lösungsangabe an der von Mario Richter orientiert habe, zum Schluss der Kommentar von Hans Gruber: „Das ist eine ausgesprochen hübsche Kombination des Volet-schen Retroschild-Themas mit dem Ceriani-Frolkin-Thema.“ Damit traf er auch genau die Intention der Autoren: „To the best of my knowledge, this is the first classical-style retro ever in which one Ceriani-Frolkin piece shields off another such piece as the latter unpromotes.“

So ganz nachvollziehen, wieso das Stück im Preisbericht leer ausging, kann ich nicht…

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