Retro der Woche 30/2019

In der letzten Woche hatten wir hier eine Auflöse-Aufgabe von Andrej Frolkin und Joaquim Crusats betrachtet, heute möchte ich euch eine Beweispartie von Andrej zeigen, die im Schwalbe-Informalturnier 2016 von Preisrichter Henrik Juel die erste ehrende Erwähnung erhielt und die mir schon bei der Veröffentlichung sehr gut gefallen hatte.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2016, 1. Ehrende Erwähnung
Beweispartie in 23.5 Zügen (12+15)

 

Sofort fällt bei Weiß der Platzwechsel von Läufer und Turm auf, und auch bei Schwarz ist in dieser Hinsicht offensichtlich etwas passiert: Springer, Dame, Läufer und Turm haben zyklisch „jeweils zwei Felder nach rechts“ (wobei der Turm natürlich „links“ landet) ihre Plätze getauscht. Das ist sehr hübsch und hilft meistens beim Lösen.

Für die Lösungsfindung ist aber auch die Schlagbilanz wieder sehr hilfreich: Schwarz hat drei der vier fehlenden weißen Steine mit den Bauern b6, c6 und d6 geschlagen. Irgendwie müssen aber neben der weißen Dame auch die [Be2], [Bf2] und [Bg2] verschwunden sein.

Dazu könnte irgendwann Bexd erfolgt sein, und dieser weiße Bauer konnte nun vom [Be7] geschlagen worden sein. Aber das führt dazu dass wir die fehlenden Bauern auf dem Königsflügel nicht mehr loswerden können: Dann aber müsste [Bg7] auf f1 umgewandelt haben, um selbst zu verschwinden oder das Schlagopfer auf der d-Linie zu ersetzen. Dafür aber reicht die Zeit nicht.

Zählen wir dazu die sichtbaren schwarzen Züge: 3+1+2+5+3+7= 21 — da kann es [Bg8] nicht zur Umwandlung geschafft haben! Übrigens sehen wir bei genauem Hinschauen, dass wir noch einen zusätzlichen schwarzen Zug benötigen: Tb8 und Df8 können nicht in jeweils einem Zug aneinander vorbeigekommen sein.

Also muss einer der fehlenden weißen Bauern auf seiner Linie von einem Offizier geschlagen worden sein, und die beiden anderen Bauern mussten umwandeln!

Damit könnt ihr nun versuchen, die Lösung zu finden – und dabei werdet ihr feststellen, dass der noch freie schwarze Zug sehr interessant (und thematisch!) genutzt wird.

Lösung

Nun habt ihr auch gesehen, wie Schwarz den noch freien Zug genutzt hat: Hier haben wir nicht einfach einen zyklischen Platzwechsel der schwarzen Offiziere vorliegen, sondern [Th8] tauscht mit jedem einzelnen der drei anderen beteiligten Offiziere den Platz! Dafür benötigte er je eigentlich noch einen weiteren Zug, doch durch die Rochade wird er einfach nach f8 „gebeamt“, ohne dass dazu ein zusätzlicher Zug erforderlich ist. Und [Ke8] erreicht das Feld h6 mit oder ohne Rochade in drei Zügen.

So war z.B. Silvio Baier hellauf begeistert: „Sukzessive Platzwechsel des schwarzen Turms mit Figuren auf der 8. Reihe samt doppelten Ceriani-Frolkin bei Weiß. Wenn ich sehe, was beim WCCT für Aufgaben konkurrieren, hätte diese dem Turnier gut zu Gesicht gestanden. Jedenfalls eine hochoriginelle Idee.“

Auch die Ceriani-Frolkins passen gut hier hinein: Weiß muss aktiv [Dd1] opfern — und die umgewandelten Steine sind „zufällig“ auch Damen!

Hans Gruber hat mit seinem generellen Vorbehalt gegen Platzwechsel-Beweispartien sicherlich prinzipiell recht: „Was mir bei den optischen Themen wie Platzwechsel in der Beweispartie nicht behagt, ist, dass auf die Frage ‚Warum musste das geschehen?‘ meist eine triviale Antwort folgt: ‚Weil die Steine halt am Ende so stehen!‘ Korrekt gestaltet und erfolgreich konstruiert muss das noch immer werden.“ Hier trifft das in gewisser Weise auch zu, aber der Weg des Turmes mit den „thematischen Zwischenhalts“ ist sicher alles andere als trivial.

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