Retro der Woche 45/2015

Das waren noch Zeiten, als es bei der Schwalbe reguläre „Ortsgruppen“ gab, die gar regelmäßig ihre eigene Zeitschrift mit Informal- und Thematurnieren, mit festen Rubriken herausbrachten.

Die „Hamburger Problem-Nachrichten“ als Mitteilungblatt der Ortsgruppe Groß-Hamburg erschienen in 28 Ausgaben von April 1947 bis Mai-Juni 1951 und mussten dann aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden.

Für uns ist besonders interessant, dass in den HPN eine fünfteilige „Einführung in die Retroanalyse“ erschien, die von Hans Stempel (19.05.1902 — 04.06.1974) aus Neuss bei Düsseldorf — ein sehr weit gefasster Begriff von Groß-Hamburg — beigetragen wurde.

Hieraus möchte ich euch eine Aufgabe vorstellen mit der Anregung, euch selbst damit zu beschäftigen, bevor ihr gleich weiter lest: Soo schwer ist sie nicht, auch wenn man eine Menge bedenken muss!

Hans Stempel
VII Hamburger Problem-Nachrichten 05-06/1950, Dr. K. Fabel gewidmet
Welches war der letzte Zug? (15+12)

 

Hier reicht es natürlich nicht, den letzten Zug anzugeben, sondern es muss selbstverständlich die Auflösung der Stellung beschrieben werden, auch wenn dabei die Züge nicht eindeutig sind: Die prinzipielle Auflösungs-Strategie ist es schon!

Offensichtlich haben die schwarzen Bauern nicht geschlagen, denn es fehlt nur ein weißer Stein, und wäre der von einem schwarzen Bauern geschlagen, gäbe es einen schwarzen Doppelbauern in der Stellung.

Weiß hat hingegen offensichtlich drei Mal mit Bauern geschlagen: offensichtlich a6xb7, c6xd7 und g2xh3 — alle Schläge auf weißen Feldern, sodass [Lf8] nicht von einem dieser Bauern geschlagen werden konnte — sie schlugen also die beiden schwarzen Türme und [Lc8].

Betrachten wir mögliche letzte schwarze Züge, so sehen wir, dass a5-a4 noch nicht zurückgenommen werden kann, da dann der Nordwesten unauflösbar eingemauert ist — warum geht denn nicht zurück e7-e6? Aus zwei Gründen nicht: La7 konnte nur via c6 und d8 und dann via z.B f6 den Nordwesten verlassen, und der Weg wäre verbaut. Den zweiten Grund sehen wir etwas später.

Damit ist nun klar, dass Weiß zuletzt gezogen — und dabei geschlagen hat, denn sonst würde sich ja nichts an der schwarzen Zugnot ändern. Das kann also nur R 1.g2xTh3 gewesen sein: 1.g2xLh3 würde das Retropatt nicht aufheben, und [Lf8] kann nirgendwo entschlagen werden.

Damit ist die eigentliche Frage bereits beantwortet, aber noch lange nicht die Stellung aufgelöst. Denn aus diesem Schlag ergibt sich zwingend, dass einer der weißen Türme ein Umwandlungsturm ist, denn [Th1] konnte den Südosten nie lebend verlassen haben, wurde also dort geschlagen. Ein weißer Turm muss also auf e8 entwandeln, um dann auch noch f6xLe7 zurückzunehmen. Dies ist der zweite Grund, weshalb Schwarz e7-e6 noch nicht zurücknehmen darf (und damit zusammenhängend der dritte ist, dass vorher sKf8 via e7 nach draußen muss, um einem Schachgebot des UW-Turm bzw. des wBe7 zu entgehen).

Den Nordwest-Knoten kann nur geöffnet werden, indem Sa6-b8 zurückgenommen wird; hierfür muss wK auf c8 stehen. Bevor dann irgendwann Ba6xb7 zurückgenommen werden kann, muss sBa4 bereits wieder auf a7 stehen — und vorher muss der eben auf h3 entschlagene sT wieder auf a8 eingetrudelt sein, denn sonst käme er nie wieder nach Hause.

Das geht prinzipiell beispielsweise so:

R 1.g2xTh3 Tc3-h3 2.Se7-c8 T~ 3.Kc8-c7 Tc5-~ 4.Ta5-a6 Sa6-b8 5.b2-b4 Sb4-a6 6.Lb8-a7 S~ 7.Da6-a8 S~ 8.Dd3-a6 S~ 9.Ta8-a5 Ta5-c5 10.La7-b8 S~ 11.Kc7-c8 S~ 12.Tc8-a8 S~ 13.Lb8-a7 Ta8-a5 14.Dd1-d3 a5-a4 15.Tc4-g4 a7-a5 16.a6xLb7 S~ 17.Sf5-e7.

Nun macht sich sK auf den Weg nach draußen, Weiß nimmt Ba5-a6 zurück, um La6-b7 und Sb7-d8 zu ermöglichen, wonach Weiß Te8-c8, anschließend die Umwandlung und den Schlag f6xLe7 zurücknehmen kann. Wenn dann endlich auch wLb8 nach draußen gekommen ist, löst sich die Stellung einfach auf.

Hübsch, wie hier durch den einzig möglichen letzten Zug die gesamte Stellungsauflösung noch verkompliziert wird, da nun plötzlich offensichtlich ein Umwandlungsturm auf dem Brett steht.

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