Retro der Woche 40/2015

Im gerade erschienenen Oktober-Heft von StrateGems finden sich die Preisberichte für Beweispartien und (übrige) Retros für das Jahr 2014; Richter war Bernd Gräfrath.

Während sich seine Zufriedenheit mit den restlichen Retros sehr in Grenzen hielt (von den 14 Aufgaben des Jahrgangs zeichnete er nur ein Anticirce-Proca von Weeth/Wenda aus), war er von der Qualität der Beweispartien sehr angetan, dort hat er 10 von 24 teilnehmenden Aufgaben ausgezeichnet.

Der erste Preis ging an folgende ukrainisch-französische Gemeinschaftsproduktion: Bei den Autorennahmen kann man natürlich eine Menge erwarten, und es lohnt sich auf alle Fälle, das Stück genau zu analysieren.

Andrej Frolkin & Nicolas Dupont
StrateGems 2014, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Die übliche Züge-Zählerei scheint uns nicht allzu sehr weiter zu bringen. Bei Weiß ergeben sich, wenn man von kurzer Rochade ausgeht, 1+1+4+2+3+4=15 Züge, bei Schwarz 2+2+2+3+3+2=14 Züge — dabei haben wir schon berücksichtigt, dass [Sb8] gezogen haben muss, um [Ta8] heraus zu lassen.

Schauen wir uns also noch an, welche Steine fehlen.

Das sind offensichtlich [Bb2, c2, d2] sowie [Bc7, d7, e7], die irgendwie verschwunden sein müssen. Dem stehen die Bauernschlagfälle gxf3, hxg3, bxa6 und hxg6 gegenüber. Dabei können keine Bauern geschlagen worden sein; also müssen sowohl Weiß als auch Schwarz jeweils zwei Bauern umgewandelt haben, die sich dann selbst geopfert haben oder die einen Stein, der sich hat schlagen lassen, ersetzt haben.

Nun hilft uns die Zügezählerei doch weiter: Eine weitere Umwandlung hat es weder bei Weiß noch bei Schwarz geben können, da hierfüür die erforderlichen Züge nicht mehr zur Verfügung stehen. Jeweils vier Züge sind neben den Bauernzügen zur Umwandlung noch frei.

Und bei zwei plus zwei Umwandlungen denkt der Leser vielleicht sofort an ein „Proof Game of the Future“, wo ja jeweils zwei Themen doppelt gesetzt sind.

Wegen der nur noch vier freien Züge ist auch klar, dass die beiden anderen Bauern jeweils von einem gegnerischen Bauer geschlagen worden sind, um sich jeweils den Weg zur ersten Umwandlung freizuschlagen: Irgendwelche Offiziere hätten hierfür keine Zeit gehabt, sie müssten dann ja auch noch ersetzt werden.

Die Aufgabe ist sicherlich nicht einfach zu lösen, aber wenn wir es thematisch versuchen wollen, so springen natürlich sofort wLc8 und wTe8 ins Auge: Sind das vielleicht die beiden weißen Umwandlungssteine? Natürlich ist das möglich, aber dann bleiben noch neun !! weiße Züge frei: Das ist schon sehr unwahrscheinlich, dass das korrekt zu bekommen wäre, auch wenn jeweils drei Züge erforderlich wären, Original-Läufer und -Turm loszuwerden.

Also kommt der Verdacht „weiße Anti-Pronikis“ auf: Bei diesem Thema ersetzt ja ein Original-Stein den jeweils geschlagenen Umwandlungsstein gleicher Art auf dessen Umwandlungsfeld: Ein herrlich paradoxes Thema, das nicht einfach zu motivieren ist, denn warum bleibt der Umwandlungsstein nicht einfach stehen?

Hier würde es auch mit den weißen Zügen herrlich passen: Dann konnten sich der UW-Lc8 auf g6, der UW-Te8 auf b6 opfern — und die weißen Züge gehen auf!

Raffiniert verwoben ist das nun mit der Notwendigkeit der beiden schwarzen Umwandlungen: Auch für Schwarz stehen ja noch vier Züge zur Verfügung, die Original- bzw. Umwandlungssteine auf g3 und h3 loszuwerden.

Besonders pfiffig ist die Rochade in den Lösingsverlauf eingebunden: Sie ist wesentlich dafür verantwortlich, dass das schwarze Timing der Züge genau funktioniert.

1.d4 c5 2.d5 c4 3.d6 c3 4.dxe7 cxb2 5.c4 d5 6.c5 d4 7.c6 d3 8.c7 Kd7 9.e8=T Lc5 10.Te6 Se7 11.Ta6 bxa6 12.a4 Lb7 13.c8=L+ Kc6 14.Lf5 Sd7 15.Lg6 hxg6 16.a5 Th6 17.Ta4 Dh8 18.Sa3 b1=S 19.Sf3 Sd2 20.Sh4 Sf3+ 21.gxf3 Tg8 22.Lh3 Sb8 23.OO d2 24.Db3 d1=D 25.Lc8 Dd6 26.Td1 Dg3+ 27.hxg3 Dh7 28.Td8 Ld4 29.Te8.

Neben den beiden Anti-Pronkin-Steinen gibt es also noch schwarze Umwandlungen in Springer und Dame — also eine Allumwandlung verteilt auf zwei weiße Anti-Pronkins und zwei schwarze Ceriani-Frolkins. Eine tolle Leistung — aber zum Glück bleiben ja immer noch Wünsche offen. So träumt Berd Gräfrath von solch einer Allumwandlung mit weißen Anti-Pronkin-Springer: der ist ja noch viel schwerer darzustellen, da ja der Originalstein mindestens vier Züge bis zum Umwandlungsfeld seines Kollegen benötigt. Wer versucht sich an diesem Task??

2 thoughts on “Retro der Woche 40/2015

  1. Aus meiner Sicht liegt Bernd mit seiner Einschätzung genau richtig. Allumwandlungs-Ceriani-Frolkins gibt es schon wie Sand am Meer und auch Anti-Pronkins mit 2 Themafiguren. Aber die Kombination ist ein weiterer Meilenstein und verdient allerhöchste Anerkennung.

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