Retro der Woche 06/2015

Im Aprilheft 2014 von Phénix ist der Preisbericht des Jubiläumsturniers zum 50. Geburtstag von Nicolas Dupont erschienen, die Ausschreibung dazu war auch hier im Blog erschienen.

Als Thema waren Beweispartien, die Echos zwischen schwarzen und weißen Umwandlungsfiguren zeigen, gefordert. Das Niveau des Turniers war sehr hoch, der Jubilar als Preisrichter hat die Hälfte der 28 eingesendeten Aufgaben ausgezeichnet.

Ziemlich sicher bin ich mir, dass wir den ersten Preis, den ich heute vorstellen möchte, gelegentlich wiedersehen werden — beispielsweise im FIDE-Album.

Michel Caillaud
Dupont-50 2014, 1. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Dass uns das Zählen der sichtbaren Züge noch nicht sofort weiterbringen wird, ist bei dem vorgegebenen Thema nicht verwunderlich, dennoch ist es schon einmal hilfreich. Bei Weiß sehen wir bereits 0+1+2+2+3+4=12 Züge, bei Schwarz 3+1+1+3+4+2=14 Züge. Kann uns die Bauernstruktur vielleicht mehr verraten?

Dort fallen sogleich zwei Tatsachen auf: Erstens ist wBh5 der [Bf2], muss also zwei Schläge ausgeführt haben, zweitens fehlen bei Weiß und bei Schwarz genau die drei Bauern von der a-, b- und c-Linie.

Damit wissen wir schon, dass Schwarz zwei Mal umgewandelt haben muss, denn entweder hat wBh5 schwarze Originalsteine geschlagen oder diese Umwandlungssteine, denn die fehlenden Bauern kann er nicht direkt geschlagen haben.

Nun hilft uns das Züge-Zählen besonders bei Schwarz schon weiter: Zwölf Züge waren noch offen, durch die Umwandlungen werden zehn davon verbraucht, so dass nur noch zwei übrig sind. Hätte [Bf2] schwarze Originalsteine geschlagen, so hätte dann der Umwandlungsstein den im Diagramm ersetzen müssen.

Aber dafür reichen die schwarzen Züge nicht: Im Gegenteil, wir wissen, dass die beiden Umwandlungen auf d1 geschehen mussten, um die dort entstandenen Figuren jeweils einzügig dem [Bf2] als Schlagopfer anzubieten.

Damit ist auch klar, dass Schwarz dafür alle drei Schläge benötigt: cxd1=X und bxcxd1=Y. Damit muss Schwarz zwei weiße Offiziere schlagen — entweder Originalsteine oder durch [Ba2] und [Bb2] entstandene Umwandlungsstein, denn diese Bauern können nicht direkt von den beiden schwarzen Kollegen geschlagen worden sein.

Schwarz hatte keine Zeit, seinen [Ba7] zu ziehen, der also zu Hause geschlagen wurde. Die ist der dritte Schlag eines schwarzen Steines, und damit wissen wir, dass beide weißen Bauern auf a8 umgewandelt haben (bxa7-a8=X, a2-a8=Y).

Damit ist die prinzipielle Lösung klar, allerdings ist noch immer offen, ob nun die beiden Umwandlungssteine noch auf dem Brett stehen oder nicht. Nun liegt es nahe zu vermuten, dass [Dd1] ohne zu ziehen auf ihrem Partieausgangsfeld geschlagen worden ist. Um so überraschter war ich, als ich feststellte, dass Dc2 die Originaldame ist, die dann wegen der uns schon klaren Schlagfolge nach d1 hin noch einen zusätzlichen Zug gemacht haben muss.

Und wenn ihr daran denkt, dass beide weißen Bauern auf a8 umgewandelt haben, so erkennt ihr auch, dass Schwarz hat lang rochieren müssen, [Ta8] also eine Rückkehr zeigt.

Auch mit diesen Hinweisen ist es sicherlich noch nicht so ganz einfach, die genaue Zugfolge herauszufinden, aber der Versuch lohnt sich:

1.a4 b5 2.a5 b4 3.a6 b3 4.Ta5 bxc2 5.b4 c5 6.Lb2 c4 7.Lf6 c3 8.Tg5 e5 9.b5 Ld6 10.b6 Se7 11.bxa7 Db6 12.e3 Lc7 13.Se2 d6 14.Sc1 Le6 15.Sa2 Sd7 16.Dc1 OOO 17.a8=L The8 18.Lf3 Sc6 19.Ld1 cxd1=L 20.a7 Lh5 21.a8=L Sa7 22.Lf3 c2 23.Ld1 cxd1=L 24.Dc2 Ldg4 25.f3 Kb7 26.fxg4 Ta8 27.gxh5.

Zwei schwarze Ceriani-Frolkin-Läufer entstehen auf d1 durch Schlag zweier weißer Ceriani-Frolkin-Läufer, die beide auf a8 entstanden sind. Ein wie ich finde großartiges Themen-Echo; für mich eine der besten Beweispartien der letzten Jahre..

3 thoughts on “Retro der Woche 06/2015

  1. Ich halte diese Beweispartie auch noch für preiswürdig. Die harmonische Doppelsetzung ist sehr gut gelungen. Dennoch ist die Technik der Ceriani-Frolkin-Läufer schon mehrfach dargestellt worden (siehe z.B. P1000444 und die noch nähere P1246051). Die Begründung der weißen Läuferumwandlungen liegt in der Zahl der schwarzen Züge und der damit notwendigen 0-0-0, wodurch wDD Schach bieten würden. Ich persönlich hätte den zweiten Preis höher bewertet, weil dieser die kaum für möglich gehaltene Darstellung von weißem und schwarzem Kreuzschlag von Ceriani-Frolkin-Steinen zeigt. Aber das ist vermutlich Geschmackssache. Nicolas fand die Harmonisierung auf einem Themafeld (d1) schöner.
    @Thomas: Vielleicht kannst Du den 2.Preis auch noch zeigen?!

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