Retro der Woche 27/2014

Heute möchte ich gern wieder ein wenig in die „Geschichte der Beweispartien“ eintauchen, und das nicht nur zehn Jahre, wie es die Quelle unserer heutigen Aufgabe suggeriert: Nein, wir gehen eigentlich 25 Jahre zurück, denn die ursprüngliche Aufgabe von Uli Ring stammt aus dem Jahre 1989, ist also schon 25 Jahre alt, allerdings damals knapp nebenlösig, da sich zwei schwarze Bauernzüge umstellen ließen. Die vorliegende Aufgabe ist also eine Korrektur von damals.

Ulrich Ring & Joost de Heer
feenschach 2004 (Korrektur)
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+15)

 

Beginnen wir mit dem Zählen der schwarzen Züge: Da kommen wir auf 22 (3+2+4+4+0+9); einen schwarzen Zug haben wir also frei.

Wirklich?

Schauen wir uns dazu den Käfig im Nordosten einmal genauer an.


Damit die schwarze Dame in zwei Zügen nach a7 gelangen kann, müsste Ba7-a5, dann Dd4-a7, anschließend b7-b6 und (auch schon früher möglich) a5xXb4 erfolgt sein. Dann aber kann sLa5 niemals auf sein Zielfeld gelangt sein. Nun wäre natürlich auch Ba7-a6, Ba6xXb5 und Bb5-b4 möglich: Damit könnten sD und sLa5 ihre Felder erreicht haben – aber dann haben wir keinen schwarzen Zug mehr übrig.

Die Alternative wäre sDc8-b7(a6)-a7, und auch das benötigt einen Zug mehr als die minimal gezählten, aber auch so kommt sLa5 auf sein Zielfeld (B7-b5, Ba7xXb6, Bb5-b4).

Also stellen wir fest, dass Schwarz keine freien Züge mehr hat.

Wie schaut es nun mit dem Schlagfällen aus? Bei Schwarz sehen wir axb, d7xc6 und f(h)xg; damit sind alle fehlenden weißen Steine erklärt. Im Diagramm fehlen bei Weiß allerdings nur drei weiße Bauern, die von ihren schwarzen Kollegen nicht geschlagen werden konnten – sie müssen sich also umgewandelt haben, anschließend wurden sie geschlagen, oder sie haben ihre Original-Brüder, die als Schlagopfer einspringen mussten, ersetzt.

Dabei sehen wir, dass der [wBe2] nicht schlagfrei umgewandelt haben kann; er muss also den schwarzen f-Bauern zu Hause (für ihn steht ja kein Zug zur Verfügung) geschlagen haben. Damit haben wir als weiße Umwandlungsfelder eindeutig d8, f8 und h8 identifiziert.

Das nun lässt eine Menge Rückschlüsse auf die Reihenfolge verschiedener Züge zu, und die empfehle ich euch, näher zu untersuchen. So muss beispielsweise hxg erfolgt sein, bevor der weiße h-Bauer auch nur starten konnte: denn vorher muss auch noch der [sTh8] sein Zielfeld d4 bzw. c3 erreicht haben: Ansonsten hätten [wBh2] und [sTh8] nicht aneinander vorbei ziehen können. Ebenso konnte sBe7 erst starten (und damit auch sLf8 freigeben), nachdem Weiß bereits e6xBf7 gespielt hat.

Ich empfehle euch, noch weitere solche Abhängigkeiten zu suchen, bevor ihr euch dann mit der Konkretisierung der Lösungsgedanken beschäftigt.

1.e4 h5 2.Dg4 hxg4 3.d4 Th3 4.d5 Tc3 5.Le3 b5 6.Lb6 axb6 7.h4 Ta4 8.h5 La6 9.h6 Dc8 10.h7 Db7 11.Th6 Da7 12.Tc6 dxc6 13.e5 Kd7 14.e6+ Kd6 15.exf7 e5 16.h8=T e4 17.Th1 Ke5 18.d6 g6 19.d7 Lb4 20.d8=D La5 21.Dd1 Td4 22.f8=L b4 23.Lh6 Lb5 24.Lc1.

Wir sehen also drei weiße Pronkin-Umwandlungen bei gleichzeitige Homebase-Stellung von Weiß – eine klasse Aufgabe, die vor 25 Jahren, wäre sie korrekt geblieben, sicherlich hoch ausgezeichnet worden wäre, und die auch heute noch begeistern kann: Das Stück ist halt ein echter Klassiker.

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