Retro der Woche 39/2013

Der heutige Wochenbeitrag ist verbunden mit ganz herzlichen Glückwünschen nach Roßdorf bei Darmstadt, wo just an diesem Sonntag Uli Ring einen sehr runden Geburtstag feiert: Die besten Wünsche für das neue Lebensjahr(zehnt) dazu von mir, denen sich sicher die Leser des Blogs anschließen werden!

Uli ist nicht nur ein „Retromensch“, sondern im gesamten Bereich des Problemschachs sehr bewandert: In sehr jungen Jahren war er Sachbearbeiter der Schwalbe für Zweizüger, als Komponist trat er besonders (unter dem Einfluss des legendären John Niemann) bei den Hilfsmatts hervor und hat schon sehr gute Beweispartien gebaut, als dieses Genre erst gerade begann aufzublühen.

Ich selbst kenne Uli schon seit meinem ersten Andernach-Treffen, und es war und ist immer eine Freude, sich mit ihm nicht nur schachlich auszutauschen: Sein trockener, stets hintergründiger Humor bereichert jede Diskussion über Schach und Kultur, über Politik und Fußball, über Gott und die Welt, und die gemeinsamen nachmittaglichen Eisdielen-Besuche zusammen mit Hans Gruber gehören für mich in Andernach nicht nur zur Tradition, sondern auch zu den Höhepunkten der jährlichen Treffen dort.

Das Stück, das ich heute ausgesucht habe, zeigte schon vor 27 Jahren sehr moderne Beweispartien-Thematik, und ich kann mich noch erinnern, dass das Lösen und Prüfen dieser Aufgabe meine Begeisterung für die damals noch recht neue Mode der eindeutigen kürzesten Beweispartien weiter gesteigert hat.

 

Ulrich Ring
feenschach 1986
Beweispartie in 24,5 Zügen (14+16)

 

Eine Homebase-Stellung, wo sich also sämtliche noch vorhandenen Steine in ihrer Partieanfangsstellung befinden, über auch heute noch einen hohen ästhetischen Reiz aus; bei Beweispartien sicherlich, weil sie optimal das Spiel dieser Farbe verschleiern.

Und so muss auch Weiß hier gar nichts tun, sich nur darum bemühen, die beiden fehlenden Bauern zu entsorgen. Anhand der schwarzen Schlagfälle axb und gxf6 sieht man allerdings sofort, dass dies nicht direkt möglich ist, dass Weiß also seine beiden fehlenden Bauern umwandeln musste, um entweder die Umwandlungssteine schlagen zu lassen oder sie ihre Original-Kollegen ersetzen zu lassen.

Zumindest ein Originalstein musste geschlagen werden, anders könnte der erste Umwandlungsbauer nicht auf die achte Reihe gelangt sein. Damit wissen wir schon aus der Diagrammstellung, dass wir zumindest einmal das Pronkin-Thema antreffen.

Beim Nachzählen der schwarzen Züge stellt man fest, dass genau 24 erforderlich sind, um die Klötze in die Diagrammstellung zu bekommen. Nun solltet ihr selbst versuchen, anhand der möglichen schwarzen Züge und deren zeitlichen Abhängigkeit herauszuarbeiten, welche weißen Steine wo geschlagen werden konnten, wie Schwarz den beiden im Diagramm fehlenden Bauern den schlagfreien Weg zur Umwandlung frei machen konnte.

Dan sollte es nicht mehr so schwer sein, die Lösung zu finden, an der mir nicht nur gefällt, dass sie das Pronkin-Thema mit den „schwierigsten“ Steinen doppelt setzt, sondern ich finde die notwendige zehnzügige Pause der zuerst wiedererstandenen Figur sehr attraktiv – und ich kann mich erinnern, dass gerade dies mir damals das Lösen ziemlich erschwert hat.

1.Sf3 a5 2.Sd4 a4 3.Sb3 axb3 4.Sc3 Ta4 5.Sd5 Th4 6.Sf6+ gxf6 7.a4 Lh6 8.a5 Le3 9.a6 Sh6 10.a7 Tg8 11.a8=S La7 12.Sb6 Tg3 13.Sc4 Tc3 14.g4 b6 15.g5 Lb7 16.g6 Lf3 17.g7 Lh5 18.g8=S Sg4 19.Sh6 Sc6 20.Sf5 Da8 21.Sd4 Kd8 22.Sf3 Sd4 23.Sg1 Df3 24.Sa3 c6 25.Sb1.

Lustigerweise findet man diese Beweispartie gleich zweimal in der PDB; einmal in der hier angegebenen Stellung und einmal mit dem noch angehängten Zug 25.– Kc7 (und so ist sie auch als Nr. 51 in Shortest Proof Games von Gerd Wilts und Andrej Frolkin nachgedruckt), aber aus Gründen der Zugökonomie (das Thema ist mit 25.Sb1 gezeigt) ziehe ich persönlich diese Fassung vor.

One thought on “Retro der Woche 39/2013

  1. Heute benütze ich die Gelegenheit, schon mehrfach Erwähntes nochmals zu äussern:
    Als immer-noch-mehr-oder-weniger-Einsteiger in die grosse und schon sehr weit entwickelte Retrowelt schätze ich ältere Aufgaben wie diese ganz besonders, da sie nicht gar so schrecklich schwer sind. Mir kommt es entgegen, wenn deutliche Lösungshinweise erkennbar sind. Schwarz hat hier z.B. noch alle Steine, und es ist (jedenfalls in vielen Einzelheiten) klar, wie sie ihre Position im Diagramm erreicht haben.

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