Retro der Woche 47/2025

Nach dem zweitplatzierten Stück im Probleemblad Preisbericht für die Jahre 2019 und 2020, das ich hier vor zwei Wochen vorgestellt hatte, möchte ich nun den ersten Preisträger nachreichen. Um schon einmal etwas zu spoilern: „And the winner is … the Retro editor himself!“

Roberto Osorio
Probleemblad 2020, 1. Preis 2019-2020
Beweispartie in 22 Zügen, Schlagschach (13+15)

 
Eine völlig harmlos ausschauende Stellung, die man doch leicht in deutlich weniger als 20 Zügen erspielen kann? Der nahe liegende erste Gedanke, die auffällige schwarze Dame sei auf b1 aus dem [Ba7] entstanden, erledigt sich schnell, wenn man die schwarzen Doppelbauern auf der c- und f-Linie entdeckt hat, die für das Fehlen jeweils eines weißen Turms und Springers verantwortlich zeichnen.

OK, also wurde [Ba7] zu Hause geschlagen — und wo der fehlende schwarze Turm? Wenn ihr das nun versucht, werdet ihr feststellen, dass das so leicht gar nicht ist — dass sich diese so plausiblen Gedanken nicht umsetzen lassen.


Wie könnte denn dann dien Lösung ausschauen? Man sieht, dass die aktiven Opfer von Turm und Springer sechs Züge verbrauchen, hinzu kommen noch 2+2+0+5+0+4=13 Züge — da ist sogar noch einer frei bei Weiß? Aber das kann nicht klappen: der Läufer auf h3 stört immens! Er muss ja schon auf h3 gestanden haben, wenn Weiß g4 gespielt hat. Das ist Voraussetzung für das Turmopfer, aber wie will Weiß dann mit seinem König von e1 nach g1 gekommen sein? Für Abschirmungen haben wir keine Zeit, und der weg über g2 würde erst recht nichts bringen.

Und vorher Rochieren? Dann kostet das Verschieben im Südosten , damit Tf1 via g3 herausziehen kann, so viel Zeit, dass wir dann nicht mit 20 Zügen auskommen — auch wenn die Rochade eine gute Idee ist.

Vielleicht bringen euch diese Überlegungen auf eine andere Idee: Was, wenn die Rochade den König doch nach g1 katapultiert hat?

Lösung


Eine, wie ich finde, extrem elegante und überraschende Aufgabe!

Die Themenkombination ist keine Erstdarstellung: Damit hatte Roberto bereits die Bronzemedaille in der Retroabteilung des 8. FIDE-Cup 2020 gewonnen, doch war das im Nachhinein betrachtet nicht viel mehr als eine Vorübung zu unserer heutigen Aufgabe: So verrät der dortige weiße Turm auf a4 quasi sofort die Idee zumindest bei der weißen Partei. Insofern Hut ab vor den Richtern, die dieses Stück nun nicht deshalb heruntergestuft haben, weil das Thema „nur“ eine Zweitdarstellung ist: Die Verbesserung zum FIDE-Cup Stück ist einfach immens!

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