Retro der Woche 48/2021

Nachdem wir in der letzten Woche bereits eine Retro-Tour in die Geschichte der Retroanalyse unternommen hatten, möchte ich das heute fortsetzen und eine sehr bekannte, klassische Beweispartie (wieder) zeigen. Viele werden sie kennen, aber ich finde, die anzuschauen kann kaum langweilig werden.

Als Thomas Rayner Dawson 1913 die erste Beweispartie (P0002274) vorstellte, dachte er hauptsächlich an möglichst lange Konstruktionen, weniger an thematische Inhalte, wie wir sie heute an Beweispartien lieben. Direkt nach dem Krieg beschäftigte sich dann Karl Fabel mit dieser Rekordjagd, deren Ergebnis er in seinem Buch „Am Rande des Schachbretts“ veröffentlichte; sein Ergebnis ist auch heute noch faszinierend.

Karl Fabel
Am Rande des Schachbretts 1947
Beweispartie in 41,5 Zügen (13+14)

 

Erschreckend wenig Züge kann man direkt aus der Diagrammstellung ableiten; bei Weiß sind dies gerade einmal 8+3+1+6+0+5=23: 19 Züge sind also noch frei. Ok, wir müssen noch berücksichtigen, dass ein Turm und zwei Springer bei Weiß verschwinden müssen, dennoch bleibt viel frei. Wir werden nachher sehen, wie Fabel die daraus resultierende eigentlich extreme Nebenlösungsgefahr bannt.

Auch bei Schwarz sind zwar eine ganze Menge, aber nicht ausreichend viele Züge sichtbar; aber hier müssen wir berücksichtigen, dass ein Umwandlungsspringer auf dem Brett steht, der noch für einige Züge gut ist.

Der schwarze König kann nicht den „kurzen“ Weg über den Damenflügel nach b2 nehmen: Damit [Lc8] nach b1 kommen konnte, musste zunächst a3, La2-b1 erfolgen; erst dann konnte b3 gespielt werden. Also musste der schwarze König über den Königsflügel kommen, und der Weg benötigt dann mindestens elf Züge.

Während sLb1 die Zugreihenfolge der weißen Damenflügelbauern eindeutig macht, schafft dies auf der anderen Seite wLg1: Hier musste in der Reihenfolge sein: hxg3xf4, Lg3-h2, g3. Natürlich kann der schwarze König erst nach g3 auf die erste Reihe gelangen.

Am „Zügezahl-schonendsten“ bekommen wir die schwarzen Springer auf ihre Felder, wenn sd8 von b8 und Sh5 von g8 kommen: Jeweils zwei Züge. Und mit drei Zügen kommt Sa7 von b1 aus. Damit wären dann auch die drei schwarzen Schläge geklärt: axSbxTa2xSb1=S (Nach diesen Überlegungen kommt wTa2 von h1 – das bringt noch einen weißen Zug.). Und nun zählen wir die schwarzen Züge; dabei zähle ich die 5+3 Züge des [Ba7] bei den Bauern mit: 11+2+3+6+4+15=41 – holla, das sind dann doch schon alle schwarzen Züge, und das beweist auch, dass sSa7 der Umwandlungsspringer von b1 kommend ist; ebenso, dass Turm und Dame von Schwarz in jeweils zwei Zügen zum Opfer auf g3 bzw. f4 gebracht wurden.

Mit diesen Vorüberlegungen könnt ihr euch nun daran versuchen, die Zugfolge zu erarbeiten: Sicherlich nicht leicht, aber nun machbar – zumindest, wenn ihr auf den richtigen Gedanken kommt, wie Weiß einige Züge zwischendurch „verplempert“ — und auch dann noch den richtigen Weg des weißen Königs findet.

Lösung


Das ist schon beeindruckend, mit welch ausgefeilter Technik Karl Fabel hier die Eindeutigkeit der Zugfolge sicherstellt. Und das Turmpendel generiert acht weiße Zusatzzüge. Dieser Rekord hat dann 35 Jahre gehalten – viel länger als später der „Jahrhundert-Weitsprung“ von Bob Beamon, der „nur“ 23 Jahre lang Bestand hatte.

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