Retro der Woche 47/2014

Vor wenigen Tagen jährte sich zum dritten Male der Todestag des Moskauer Retro-Spezialisten Andrej Kornilow (*4.5.1944 †14.11.2011). Ihm zum Gedenken habe ich heute eine Aufgabe von ihm herausgesucht.

Schaut euch auch noch einmal den großartigen Nachruf von Andrej Frolkin und Nikolai Beluchow auf ihn in feenschach 190, XII 2011, S. 229 bis 234 an. Und wenn ihr gerade dabei seid, dann holt auch sofort noch einmal das „Retro-Heft“ feenschach 192, III-IV 2012 hervor, das inhaltlich hauptsächlich von Andrej Kornilow und Andrej Frolkin bestritten worden war: Herrliche Lektüre für lange Herbstabende!

Andrej Kornilow
Redkie schanri plus 1997, Lob
Färbe die Steine. Letzte zwei Einzelzüge? (30+0)

 

Vor dem Finden der beiden letzten Züge gilt es also zunächst einmal, die genaue Stellung zu finden, das heißt herauszufinden, welche Steine Weiß und welche Schwarz sind. Doch bevor nun der Optimist dem Diagramm mit einem schwarzen Kugelschreiber zu Leibe rückt (der Pessimist nimmt sicher einen Bleistift) und mit dem Ausmalen beginnt, sollten wir zunächst einige retroanalystische Überlegungen bezüglich der Schlagfälle anstellen – und dann werdet ihr relativ schnell sehen, dass die Aufgabe gar nicht so schwer zu lösen ist!

Betrachten wir zunächst einmal die Stellung der Könige und der Steine, die sie beobachten, und mögliche Schlagfälle. Damit haben wir dann schon einen Großteil der Lösung gefunden.

Schnell stellen wir fest, dass im Diagramm ein schwarzfeldriger Läufer fehlt und ein Bauer irgendwo auf der g- oder h-Linie. Dann schauen wir nach den Königen: Einer steht im Schach durch die Dh6, und dieses Schach kann nur aufgehoben werden durch DxXh6+. Damit ist klar, dass Dh6 und Kg5 die gleiche Farbe haben, denn auch vor ihrem letzten Zug beobachtete die Dame diesen König.

Von gleicher Farbe dieses Königs sind auch Se4 und Sh3, da sie ansonsten illegal Schach bieten würden. Ebenso sehen wir sofort, dass Tg7, Th8 und Lg8 von gleicher Farbe des Kh7 sind: jede andere Färbung führte zu illegalem Schach gegen Kh7.

Nun betrachten wir die Bauern: da nur zwei Steine fehlen und wir auf der g-Linie drei Bauern stehen haben, ist klar, dass die Bauern auf den Linien a bis f ihre „natürliche Farbe“ haben (2. und 3. Reihe weiß, 6. und 7. Reihe Schwarz), da für andere Färbungen einfach die Schlagobjekte fehlen.

Spannend ist nun die g-Linie mit den drei Bauern: hier muss Bg2 schwarz sein, denn ansonsten hätte der [wLf1] zu Hause geschlagen worden sein müssen, und das geht nicht, da wir bei 30 Steinen nur zwei Schlagfälle zur Verfügung haben, die beide schon verbraucht sind. Um die g-Linie mit sBg2 und nur einem einzigen Schlag erklären zu können, müssen Bg4 weiß und Bg6 schwarz sein.

Nun haben wir das meiste schon und müssen „nur noch“ herausbekommen, welche Farbe Dh6 hat. Sie muss auf h6 den fehlenden Bauern (oder, falls er sich umgewandelt haben sollte, den daraus entstandenen Umwandlungsstein) geschlagen haben: Der ist weiß, also ist Dh6 schwarz. Das alternative Schlagobjekt (schwarzfeldriger Läufer) kommt hier nicht in Frage, da er dem Kg5 ein illegales Schach geboten hätte.

Damit sind mit den obigen Überlegungen alle Farben geklärt bis auf La7: Der muss schwarz sein, da sein Pendant von sBg2 geschlagen worden sein muss.

Und somit schaut die gesuchte Stellung so aus:

Andrej Kornilow
Redkie schanri plus 1997, Lob
Gefärbte Stellung. Letzte zwei Einzelzüge? (14+16)

 

Bezüglich der letzten Züge wissen wir bereits: sDxXh6+. X kann kein Läufer, keine Dame sein wegen illegalen Schachs, kann aber auch kein Turm sein, da Weiß in diesem Falle retropatt wäre: Weiß kann nicht Bg3-g4 zurücknehmen, da [Lc1] noch fehlt und nur mittels h4xLg3 entschlagen werden kann. Und ein Umwandlungsspringer wäre nicht mehr von h8 weggekommen.

Damit haben wir als letzte eindeutigen Züge: 1..– Dh4xBh6+ 2.h5-h6. Nun kann zum Beispiel sTd6 sein Feld räumen und dadurch dem Sc8 einen Zug geben; die weitere Auflösung ist dann einfach.

Wie ich finde ist das eine sehr schön Färbeaufgabe!

2 thoughts on “Retro der Woche 47/2014

  1. Coloring problems constitute an interesting area within the retro genre. This problem is well suited for beginners, I believe, because of the simple analysis. More challenging examples by the author may be found in the PDB.

    • Zwei Feinheiten noch:

      1) Es ist nicht sofort offensichtlich, dass die Gruppe im NO nicht schwarz sein darf: Die auf h6 geschlagene Figur könnte eine schwarze Originalfigur sein, genauer gesagt, ein Springer; auf dem Brett stünden dann drei weiße Springer, von denen einer durch Umwandlung auf h8 entstanden ist. Diese Möglichkeit scheidet nur aus, weil dann die beiden Läufer auf g8 und a7 schwarz sein müssten, und das ist bei dieser Bauernformation nicht drin. (Das erklärt auch, was der Läufer auf g8 verloren hat.)

      2) Das schönste an diesem Problem finde ich den Beweis, warum bei der korrekten Lösung kein Springer auf h6 gestanden haben kann – Weiß könnte ja den h-Bauern vor schwarzem g7-g6 umgewandelt haben. Aber: Vor der Umwandlung wurde der weiße Damenläufer auf g3 geschlagen, was b2-b3 voraussetzt; das konnte erst nach Entwicklung des schwarzen Damenläufers mit b7-b6 passieren; und das wiederum war erst möglich, als der schwarze Königsläufer schon auf a7 stand, also nach g7-g6 – einmal ums Brett herum.

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