Retro der Woche 31/2014

Heute möchte ich mal wieder einen Verteidigungsrückzüger vorstellen. Ihr erinnert euch: Hier kooperieren Schwarz und Weiß nicht, wie sonst bei Retroaufgaben, ob das nun Beweispartien oder Auflösungs-Aufgaben sind; hier will Weiß ein Vorwärtsziel erreichen – und Schwarz verteidigt sich dagegen, versucht also, dieses Ziel zu verhindern, natürlich stets mit legalen Zugrücknahmen.

Natürlich muss man hier festlegen, wie Entschläge zurückgenommen werden, und hier gibt es zwei verschiedene Typen des Verteidigungsrückzügers: Bestimmt die Partei, die einen Zug zurücknimmt, auch das mögliche Schlagopfer der Gegenseite, so sprechen wir vom Typ Proca. Bestimmt hingegen die Gegenpartei, welcher ihrer eigenen Steine entschlagen wurde, so sprechen wir vom Typ Hoeg.

Zeno Proca und Niels Hoeg haben quasi gleichzeitig im Jahre 1924 die Idee zu Verteidigungsrückzügern gehabt, sie hatten aber unterschiedliche Ideen zum Entschlag.

 

Alexander Jarosch
diagrammes 1999, 4. Lob
#1 vor 4 Zügen, VRZ Proca (3+13)

 

Ähnlich wie bei direkten Mattaufgaben kann es sinnvoll sein zu überlegen, welcher weiße Stein denn matt setzen könne?

Der Läufer kommt hierfür kaum in Frage: Wie sollte denn ein Mattnetz auf einem weißen Feld gewebt werden können? Und der Turm macht auch nicht den besten Eindruck als matt setzender Stein: Die schwarzen Bauern auf b2 und c2 sind defensiv sehr stark…

Aber wir haben ja noch die Möglichkeit des Entschlagens. Es wäre praktisch, wenn Schwarz gezwungen werden könnte, einen weißen Stein zu entschlagen. Besonders praktisch wäre dies, wenn wir den Typ Hoeg vor uns hätten: Dann könnte Weiß sich den passenden Stein aussuchen, und alles wäre gut. Hier jedoch haben wir den Proca-Typ, also kann Schwarz, wenn er schon zum Entschlag gezwungen wird, sich zumindest einen zum mattsetzen ungeeigneten Stein aussuchen.

Hier fallen vielleicht die beiden eingemauerten weißen Steine wieder auf? Möglicherweise könnte Weiß den Schwarzen zum „nützlichen“ Entschlag zwingen, wenn nur dadurch Retropatt verhindert werden könnte.

Dafür muss aber auch der weiße König noch eingemauert werden. Versuchen wir es also:

1.Kg2-h1 f4-f3+ 2.Kf2-g2 g2-g1=L+ Nun ist der wLh3 genau so wie der wTa1 komplett eingemauert, also retro-unbeweglich. Das müssen wir nun auch noch mit dem weißen König schaffen, und das geht mit 3.Ke1xSf2!, denn nun kann Schwarz nicht einfach nur das Schach gegen den weißen König mittels Td2-d1+ aufheben, denn dann ist Weiß retropatt, dann hat Weiß keinen letzten Zug mehr.

Also muss Schwarz gleichzeitig mit der Schachaufhebung einen weißen Stein entschlagen, der einen Zug zurücknehmen kann. Und das kann nur ein weißer Springer sein, alle anderen weißen Steine würden nicht helfen, deren Entschlag wäre also wegen des Retropatts illegal.

Genau dieser Entschlag entspricht aber dem Wunsch von Weiß, denn damit geht es so weiter: 3… Td2xSd1+ 4.Sc3-d1 & vor: 1.Sxa2#.

Nun bleibt noch die Frage, warum Weiß im dritten Zug nicht auch einen schwarzen Turm hätte entschlagen können – liegt also nicht ein Dual vor? Nein, denn dann hätte Schwarz seinem Kontrahenten zuvor kommen können, hätte Schwarz mittels Vorwärtsverteidigung selbst matt setzen können: 3.Ke1xTf2? Td2xSd1+ & vor Tf1#.

Ich finde, hier stecken überraschende Feinheiten in einer eigentlich recht überschaubaren Aufgabe. Das allerdings wird man bei vielen Verteidigungsrückzügern feststellen – und gerade deshalb mag ich diesen Aufgabentyp so gern.

One thought on “Retro der Woche 31/2014

  1. Yes, defensive retractors are certainly interesting to study.
    Niels Høeg beat Zeno Proca slightly in terms of publication date, as the first type Høeg problems appeared in 1923, e.g., P0008808 in the PDB.
    For many years after 1923-24 type Høeg defensive retractors received most of the interest, but eventually type Proca problems turned out to be more amenable and fruitful, and nowadays you rarely see a new type Høeg problem.

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