Retro der Woche 22/2014

Thematisch sehr interessant, aber gar nicht so einfach zu lösen erscheint mir die Aufgabe, die ich heute als „Retro der Woche“ vorstellen möchte: Woran liegt die Löseschwierigkeit?

 

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1994, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 23.5 Zügen (14+12)

 

Schauen wir uns zunächst einmal offensichtliche Schlagfälle an: Bei sechs fehlenden Steinen haben wir im Diagramm nur ein einziger Doppelbauer, der einen Schlag Bb2xXc3 verrät. Bei genauerem Hinschauen sehen wir allerdings, das [wLf1] zu Hause geschlagen worden sein muss, Und auch das Schachgebot kann nur durch einen Schlag entstanden sein – wenn man genauer hinschaut gar nur durch zwei: Td8 kann nicht selbst auf dieses Feld gezogen haben, also muss der letzte Zug Be7xXd8+ gewesen sein – und dieser Bauer kann nur [wBf2] sein, so dass er für zwei Schläge steht. Bleiben also noch zwei Schläge offen.

Zumindest beweist der wTd8, welche weißen Steine durch Schwarz geschlagen wurden: natürlich [wLf1] – und dann noch einer der beiden weißen Türme.

Auch das Zählen der erforderlichen Züge hilft nicht komplett weiter: Sichtbar sind 2+3+3(nur Te3!)+2+5+7(davon 5 Td8) = 22 weiße Züge – zwei sind also noch verborgen.

Bei Schwarz ist es noch schwieriger, da ja nicht offensichtlich ist, wie beispielsweise auf f geschlagen wurde. Ferner fehlen die [sBa7e7f7g7], die keine direkten Spuren hinterlassen haben. [sBa7] wäre noch einfach zu erklären, dass er zu Hause starb (wDd1-g1-a7-b8 ist ihr kürzestmöglicher Weg); ferner ist es ziemlich plausibel, dass [sBe7] vom [wBf2] auf seinem Weg nach d8 geschlagen wurde.

Bleiben also als „schwere Fälle“ [sBf7] und [sBg7] – allerdings wissen wir, dass mindestens einer der beiden umgewandelt haben muss, denn auf dem Brett fehlt kein schwarzer Offizier, aber wir wissen, dass auf d8 einer geschlagen worden ist.

Das allerdings hilft schon ein wenig weiter: Wenn beide umgewandelt haben, dann kann das auch mit den offenen Schlagfällen des Schwarzen funktionieren, denn dann wandelte [sBg7] auf h1 um – das bedarf nur eines einzigen zusätzlichen weißen Zuges, nämlich Th1-h2, und damit wäre nur noch ein weißer Zug frei. Vor einer (schlagfreien) Umwandlung des [sBf7] muss selbstverständlich [wLf1] verschwunden sein – und auch der wK stünde hierzu im Wege, müsste also (es bleibt nur noch ein weißer Zug frei) auf g3 Platz geschaffen haben. Und zwischendurch ist dann [wTa1] via f1, f3 nach e3 gezogen; deswegen bleibt als Ausweichfeld für den wK nur g3.

Warum ist eine doppelte schwarze Umwandlung notwendig? Irgendein schwarzer Offizier muss auf c3 geschlagen worden sein – und einer auf d8. Also müssen diese beiden fehlenden Steine im Südosten ersetzt worden sein.

Nun sollten wir uns noch überlegen, welcher Stein denn auf d8 geschlagen worden sein könnte? Dafür kommt nur ein Turm oder ein Springer in Frage: Mit dem Springer ist es deutlich zeitökonomischer, da er in zwei Zügen auf d8 erscheinen konnte und der [sTa8] ebenfalls in zwei Zügen auf c3, also in vier Zügen. Rechnet einmal nach: Umgekehrt dauert es 10 Züge – das wäre deutlich zu viel, da wir ja noch mindestens 10 Züge für die Umwandlungen benötigen und von denen abgesehen noch vier weitere Züge im Diagramm sichtbar sind (2x D, 1xS, 1xB): das wäre 24, also einer zu viel.

Nun geht es schon mal weiter, da man verschiedene Reihenfolgen möglicher Züge feststellen kann, etwa für die Weiche auf f2, was ich euch empfehle, selbst zu evaluieren.

Und dann ist „fast“ alles klar, denn die Lösung enthält noch eine faustdicke Überraschung…

1.Sh3 g5 2.Sf4 g4 3.h3 g3 4.Th2 gxh2 5.Sh5 h1=S 6.f4 Sg3 7.f5 Sxf1 8.f6 Sh2 9.fxe7 f5 10.Kf2 f4 11.Dg1 f3 12.Kg3 Sf6 13.Dxa7 c5 14.Sc3 Sc6 15.Db8 Ta3 16.Sa4 Tc3 17.bxc3 f2 18.La3 f1=T 19.Lb4 Th1 20.Tf1 Db6 21.Tf3 Sd8 22.Te3 Sf1+ 23.Kf3 De6 24.exd8=T+.

Hättet ihr in der Diagrammstellung mit einem Platzwechsel der umgewandelten schwarzen Steine sowie einer zusätzlichen Rückkehr gerechnet? Nein, ehrlich gesagt ich auch nicht!

Ich finde, eine sehr gelungene Aufgabe, die auch begeisterte Löserkommentare hervorgerufen hatte, zum Beispiel vom stets sehr kritischen, unvergessenen Hans Heinrich Schmitz: „Uff, das war bannig oder sakrisch schwierig, je nach landschaftlicher Mundart. Daß die schwarzen UW-Steine den Platz tauschen, war wohl das Uranliegen des Autors. Aber dazu hat er sich doch ganz hübsch etwas einfallen lassen: Falsche Fährten legen und Unerwünschtes verunmöglichen – das ist ihm bestens gelungen.“

Dem kann ich kaum etwas hinzufügen.

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