Retro der Woche 26/2013

Gerald Ettl aus Meitingen am Lech (ca. 20 Kilometer nördlich von Augsburg) ist ein sehr vielseitiger Problemist: Er hat nicht nur als Komponist ein sehr breites Spektrum von neudeutschen Aufgaben über Märchenschach bis zu Retros, sondern tut auch sehr viel für die Popularisierung des Problemschachs. Er betreibt eine eigene Website, auf der er u.a. regelmäßig hauptsächlich eigene Aufgaben mit Videos vorstellt — das lohnt sich, da einmal vorbei zu schauen.

Darüber hinaus stellt er die Ausgaben des Münchener Problemkreises zum Anschauen und Herunterladen zur Verfügung, und er hat eine Problemschach-Datenbank entwickelt, die er als Open Source Programm zur Verfügung stellt.

Eines seiner jüngeren Retro-Probleme möchte ich heute präsentieren:

Gerald Ettl
feenschach 2012, Andrej Kornilow in memoriam
Letzte 24 Einzelzüge? (15+12)

Beginnen wir wieder mit der Schlagbilanz: Bei Weiß fehlt nur ein Stein (der [wLc1]), daher kann Schwarz keine Bauernschläge am Damenflügel vorgenommen haben: Bei der schwarzen Bauernstruktur wären mindestens zwei Schläge erforderlich. Also erfolgten vier Schläge durch Weiß, die sofort alle fehlenden schwarzen Steine erklären: b2xa3, c5xd6, axb, b4xc5, und auch axb ist eindeutig: Da alle anderen Schläge auf schwarzen Feldern erfolgen, aber auch der [sLc8] fehlt, muss der auf b3 geschlagen worden sein. Wir können also axb durch a2xLb3 konkretisieren.

Gleichzeitig fehlt bei Schwarz [sBg7], der nicht direkt geschlagen worden sein konnte. Er muss sich also auf f1 umgewandelt haben, und damit ist auch der einzige Schlag durch Schwarz erklärt.

Im Nordwesten kann man nur auflösen, indem auf c8 ein Schachschutz gebildet wird, so dass zunächst einmal Td8-d7 zurückgenommen werden kann. Anschließend kann dieser Turm erst einmal auf der achten Reihe Platz schaffen, und um diesen Platz nutzen zu können, muss der Schachschutz durch eine schwarze Dame gebildet werden. Nur fehlt Schwarz ein Tempo, um auf den Bahnungszug des wTd8 warten zu können. Dieses Tempo muss, auf den ersten Blick überraschend, dem sBa2 ermöglicht werden, nachdem Weiß b2xa3 zurück genommen hat. Das aber ist nicht sofort möglich, da dann der [wLc1] ausgesperrt bliebe. Also muss der erst entschlagen werden, und wir haben schon gesehen, das kann nur durch sBgxf passieren. Also muss sich möglichst schnell die schwarze Dame entwandeln — kein anderer Stein kommt dafür infrage.

Nun ahnt ihr sicherlich auch schon, welchen Stein Weiß anschließend auf a3 entschlagen muss? Genau: Nur eine Dame, damit die wieder auf c8 den Schachschutz bilden kann. Und damit haben wir nebenbei das Phoenix-Thema realisiert.

Die genaue Zugfolge zu finden ist nun nicht mehr schwer:

R 1.Db6-a7+ Dc8-h8 2.Td8-d7 Df5-c8 3.Td7-d8+ Df1-f5 4.f5-f6 f2-f1=D 5.f4-f5 g3xLf2 6.Ld4-f2 g4-g3 7.Lb2-d4 g5-g4 8.Lc1-b2 g6-g5 9.b2xDa3 Dc3-a3 10.f3-f4 (warum nicht 10.e3-e4?) Dh8-c3 11.f2-f3 Dc8-h8 12.Td8-d7 a3-a2 usw.

Ach ja, den Link auf die Website von Gerald will ich euch natürlich nicht vorenthalten:

problemschach.npage.de - oder haben Sie kein Problem?

3 thoughts on “Retro der Woche 26/2013

  1. In der letzten Zeit sind hier im ThBr-Blog ja zahlreiche Kostbarkeiten vorgeführt worden (Herzlichen Dank, Thomas!). Und doch gab es für mich heute einen besonderen Quantensprung, nämlich die Videos auf YouTube! Merkwürdig: Ich kenne die YT-Welt eigentlich schon lange und bin dort in den verschiedensten Bereichen schon ganz toll fündig geworden. Aber auf die Idee, hier nach Problemschachlichem zu suchen, bin ich nie gekommen. Umso freudiger mein Erstaunen über die zahlreichen Filmchen von Gerald Ettl, der seine Sachen ausgezeichnet präsentiert (Echtes Kompliment!). Offenbar gibt es auf YT auch sonst allerhand aus der Welt des Kunstschachs, wie ich u.a. mit Hilfe des Suchbegriffs “chessproblem” – vorerst nur flüchtig – feststellen konnte. Ich freue mich darauf, hier weiter zu suchen (und zu finden). Videos sind m.E. ein hervorragendes Mittel zur Präsentation von Schachproblemen!

      • Danke, Bernd! Damit hast du auf eine echte Rosine hingewiesen: Dieses a-moll-Werk von Bach habe ich seit je besonders geliebt, in der Klavierbearbeitung fast noch mehr als im Original (wie es überhaupt Transkriptionen Bachscher Werke oft in sich haben!). Und wie unser bewundernswert vielseitiger Löwenmähniger das hier (auswendig!) zu Gehör bringt, in wohltuend ruhigem Tempo, ist große Klasse. Das gilt, wie ich finde, auch für seine beiden Retrobücher, die sich insbesondere durch ihre sorgfältigen und klaren Erläuterungen auszeichnen.

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