Retro der Woche 18/2017

Ich bin immer wieder erstaunt, dass man mit dem eingeschränkten Material von nur Königen und Bauern doch interessante Retroaufgaben bauen kann. Peter Kniest nannte Aufgaben mit dieser Steinkonstellation bekanntlich „Kindergartenprobleme“, aber deren Komplexität muss sich nicht zwangsläufig auf „Kindergarten-Niveau“ beschränken.

Besonders Gerd Wilts und Thierry Le Gleuher beschäftigen sich gelegentlich mit Aufgaben dieser Art, und es ist immer wieder überraschend, wie viel Inhalt sie damit darstellen können. Vielleicht möchtet ihr euch noch einmal das Retro der Woche 42/2012 anschauen?

Heute aber natürlich eine andere Aufgabe.

Thierry Le Gleuher (nach Gerd Wilts)
Phénix 2014
Letzte 13 Einzelzüge? (9+9)

 

Ich lade euch herzlich ein, selbst Löseversuche anzustellen, bevor ihr weiterlest: Das Stück ist sicher eine ideale Aufgabe, selbst einmal klassische Retros zu lösen.

Es fällt natürlich sofort auf, dass der schwarze König im Schach steht. Damit ist klar, dass Weiß mit der Rücknahme beginnen muss, dass der letzte Zug mit wBb7 erfolgt war.

Bevor wir nun untersuchen, ob wir die Rücknahme mit b6-b7+ oder mit c6xXb7+ beginnen müssen, schauen wir uns doch erst einmal die Schlagbilanz an:

Die weißen Bauern haben offensichtlich alle fehlenden sieben schwarzen Steine geschlagen: cxb, gxf3 – und wBc7 kommt von h2, hat also fünf Mal geschlagen. Zu den Schlagopfern gehörten also auch die schwarzen Läufer, sodass wir b7xa6 und auch e7xd6 noch nicht zurücknehmen können: Beide Entschläge würden einen schwarzen Läufer aussperren, was die Stellung illegal machen würde.

Aber wieso behaupte ich, sBd6 komme von e7; von c7 geht doch auch? Nein, denn wBc7 kommt ja von h2, hat sich also schlagend via d6 „durchgefressen“. Zu dem Zeitpunkt muss also d6 noch frei gewesen sein, kann also nicht vom [Bc7] besetzt gewesen sein.

Aus dem gleichen Grund kann auch sBf4 nicht von c7 gekommen sein: Er und [Bh2] wären nicht aneinander vorbei gekommen.

Also kommt sBg2 von c7, und damit haben wir auch sieben Bauern-Schlagfälle durch Schwarz: bxa6, cxdxexfxg3 (wegen des wBf3!) e7xd6 sowie hxg. Und wir sehen auch schon, dass Schwarz g3-g2 erst zurücknehmen kann, wenn [Bh2] wieder zu Hause angekommen ist.

Wir sehen damit schon, dass die Position nur durch e7xd6 aufgelöst werden kann; vorher aber muss Weiß [Lf8] entschlagen haben, der dann schnell nach Hause zurückkehren muss. Diesen Läufer kann nur Bb7 entschlagen, und damit scheidet als Rücknahme c6xXb7+ aus, wir müssen also mit b6-b7+ beginnen.

Bei den schwarzen Rücknahmen müssen wir auch aufpassen, dass wir nicht plötzlich [Th8] aussperren (daher geht noch nicht hxg), und wir müssen auch beachten, dass [Ke1] ja auch noch nach Hause muss: Das kann nur über den Königsflügel geschehen, wir können also sBf4 noch nicht nach f7 zurückziehen, ebenso verbietet sich g6-g5. Und Rücknahme des sBf4 nach f6 geht auch noch nicht, da dieses Feld die Heimkehr des [Lf8] verhindern würde.

Schwarz ist also in höchster Zugnot, sodass Weiß ganz schnell [Lf8] entschlagen muss. Und damit ist die Lösung nicht mehr schwer:

R 1.b6-b7+ f5-f4 2.c5xLb6 La5-b6 3.d4-d5 Lc3-a5 4.d3-d4 Lf6-c3 5.c4-c5 Le7-f6 6.c3-c4 Lf8-e7 7.c2-c3, und nun 7.–e7×Xd6.

Wie ich finde eine hübsche Aufgabe mit verblüffend vielen Retro-Feinheiten.

One thought on “Retro der Woche 18/2017

  1. It is remarkable what can be done with just kings and pawns. I may have seen too many other Kindergarten retros, however, as the solution was too easy to bring much enjoyment, I am sorry to say.
    The best feature is the reasoning leading to the fact that Pg5 and Pg2 may not yet retract.

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