Retro der Woche 21/2016

In Andernach hatte Thomas Maeder das Buch „schaCHkunst“ von Martin Hoffmann vorgestellt, das die Schweizerische Vereinigung der Kunstschachfreunde, der Schwesterorganisation unserer Schwalbe, herausgegeben hat. Es setzt die schöne Tradition der Anthologien Schweizer Schachprobleme fort, dieses (sechste) Mal für die Jahre 1997-2010.

Aus dem Retrobereich, der dieses Mal aus gutem Grund „Beweispartien“ heißt, habe ich ein vielleicht nicht ganz so bekanntes Stück von Reto Aschwanden herausgesucht.

Reto Aschwanden
Champagner-Turnier Protoroz 2002 (V), 1. Preis
Beweispartie in 17,5 Zügen (16+12)

 

Die beiden fehlenden weißen Bauern haben sich umgewandelt, dafür brauchten sie zehn Züge. Damit hat Weiß Zeit, acht weitere Züge zu „verplempern“. Nicht ganz, denn irgendwie müssen wir ja das Schachgebot des Lc8 noch erklären.

Bei Schwarz jedoch bleibt keine Zeit übrig, wie wir durch Nachzählen feststellen können: Da haben wir im Diagramm sichtbar 3+1+2+3+2+6=17, damit sind alle schwarzen Züge erklärt. Schwarz kann auch nur dann in drei Zügen mit dem König nach a6 gelangen, wenn er lang rochiert hat. Die Rochade hat auch keine Auswirkung auf die zwei Züge, die [Ta8] nach g7 benötigt.

Damit wissen wir aber noch eine ganze Menge mehr: die vier fehlenden schwarzen Steine wurden alle zu Hause geschlagen, da für sie kein Zug mehr frei ist. Dies sind Bb7, Bc7, Bf7 und Sg8.

Auf seinem Weg zur Umwandlung kann [Bd2] den schwarzen B-Bauern noch nicht geschlagen haben, wenn wir davon ausgehen, dass auf c8 die L-Umwandlung stattfand. Der muss dann anschließend geschlagen worden sein, außerdem muss der [Lc8] die Diagonale c8-a6 verlassen haben, damit [Ke8] nach seiner langen Rochade dorthin gelangen konnte. Das spricht erst einmal für einen Rundlauf des [Lc8]: c8=Lxb7-c6-d7-c8+; das wäre sehr hübsch, und damit hätte Weiß schon einmal vier seiner noch acht freien Züge bereits „verplempert“.

Und wie schaut es im Nordosten aus mit [Tg8]? Ja, offensichtlich, denn er muss ja [Ta8] via d8 nach der langen Rochade nach g7 lassen. In zwei Zügen kann dies nur über g8 erfolgen, und dafür muss auch [Tg8] einen (sogar schlagfreien) Rundlauf erledigen – und damit sind auch die letzten vier weißen Züge „verplempert“.

Nun mag man sich fragen, wieso denn nicht etwa [Tg8] den Bb7 hätte schlagen können? Da gibt es verschiedene denkbare Möglichkeiten, da dies ja in Summe zugkürzer wäre.

Dass dies nicht geht, liegt an der raffinierten Konstruktion der Partie, speziell bezüglich des Feldes e6. Schwarz muss nämlich irgendwann Lc6-e6 ziehen – in diesem Moment steht Be7 noch zu Hause. Damit ist die siebte Reihe aber durch diesen Bauern verplombt. Sobald Schwarz dann Lf7 zieht, um Be6 zu ermöglichen, verplombt nun dieser die siebte Reihe, so dass das angesprochene Turm-Manöver nicht möglich ist.

Nun sollte es eigentlich nicht mehr allzu schwer sein, die genaue Zugreihenfolge herauszufinden:

1.d4 h5 2.d5 h4 3.d6 h3 4.dxc7 d5 5.g4 Le6 6.c8=L Dd6 7.Lxb7 Sd7 8.Lc6 OOO 9.g5 Sc5 10.Ld7+ Kb7 11.g6 Ka6 12.gxf7 g6 13.fxg8=T Lh6 14.Tg7 Tdg8 15.Tf7 Tg7 16.Tf8 Lf7 17.Tg8 e6 18.Lc8+.

Gefordert waren in diesem Thematurnier anlässlich des WCCC Treffens Beweispartien mit orthogonal-diagonaler Korrespondenz zweier Elemente, hier dargestellt durch die Rundläufe zweier Umwandlungssteine. Gleichzeitig wird hier auch zwei Mal das Donati-Thema verwirklicht. Das alles in optimaler Zugökonomie – eine tolle Aufgabe!

Nachtrag 24.05.2016:
Das Buch kann zum Preis von 18,50 EUR plus Portokosten (in Deutschland 2,00 EUR) beim Bücherwart der Schwalbe (Ralf.Kraetschmer(at)t-online.de) bezogen werden.

3 thoughts on “Retro der Woche 21/2016

  1. Usually I frown upon retros with obviously promoted material on the board, but this charming proof game with simple, but elegant, motivations for the round-trips convinced me to forget about such preconceived notions.

  2. Very nice! Rather easy to solve because the 8 missing White moves gives you a hint to look for 2 “Rundlaufs”. Then it goes like a Swiss watch! With small means the play is controlled.

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