Retro der Woche 20/2014

Heute gibt es einmal ein ganz anderes „Retro der Woche“ – heute einmal eine Original-Veröffentlichung.

Mit Michael Barth war ich in Diskussion gekommen über ein paar Themen, die er auch schon mit Silvio Baier diskutiert hatte, und ich hatte dann vorgeschlagen, das heutige Stück hier zu bringen.

Damit verfolge ich gleich vier Ziele: Erstens hoffe ich, dass einige Leser sich nun auch als Löser versuchen: Allzu lang ist das Stück nicht, allzu schwer sicherlich erst recht nicht.

Daher mache ich auch gar keine Angaben zum Stück:

 

Michael Barth
Original
Beweispartie in 8,5 Zügen (11+15)

 

Der zweite Grund ist, dass ich euch bitten möchte, Michael und mich auf mögliche Vorgänger aufmerksam zu machen – und der dritte und vierte sind klitzekleine theoretische Diskussionen.

Natürlich müssen die weißen Bauern irgendwie verschwinden, und es liegt nicht allzu fern, zu versuchen, das mit dem fehlenden [sBh7] zu erledigen, der sich dann bis c2 durchgefressen hat – und das klappt auch:

1.g4 Sc6 2.g5 Sd4 3.g6 hxg6 4.f4 Th7 5.f5 gxf5 6.e4 fxe4 7.d3 exd3 8.Lf4 dxc2 9.Lxc7.

Das ist das bekannte „Volet50“ Thema; bei diesem Geburtstagturnier war ein wBb7 vorgegeben, der retroanalytisch beweisbar von g2 kam. Die Darstellung des Themas gibt es natürlich auch schon in Beweispartien; Michael kommt es aber auf einen anderen Aspekt an: Retroanalytisch ist in seiner Aufgabe nicht beweisbar, dass der sBc2 von h7 kommt – er könnte auch von c7 kommen; sBc2 ist also ein echter Betrügerbauer, der also auf „seiner“ Linie steht, aber gar nicht von dort kommt. Daher ist der abschließende Schlag auf c7 voll thematisch; er macht erst aus dem „nur“ Volet-Bauern zusätzlich einen Betrüger-Bauern.

Kennt ihr Darstellungen in Beweispartien?

Übrigens ist das Betrügerbauern-Thema ein Beweispartien-Thema, das sich in klassischen Retros per definitionem nicht darstellen lässt: Der Betrügerbauer wird ja erst durch den Zeitdruck der Beweispartie zum Betrüger; die heutige Diagrammstellung ließe sich als Auflöse-Retro problemlos auch so zurückspielen, dass sBc2 wirklich von c7 kommt – sonst wäre es ja auch kein Betrügerbauer…

Beim Schreiben diesen Beitrags fiel mir eine Version zu Michaels Stück ein, eine kleine Verlängerung: versetze wLc7 nach c1, sTh7 nach d3 und sBd7 nach d6, dann Beweispartie in 10,5 Zügen mit den zusätzlichen Zügen 4..—Th3 … 9.—Td3 10.Lf4 d6 11.Lc1.

Das ist natürlich nicht mehr minimal, aber wären die „angeklebten“ vier Halbzüge zu rechtfertigen? Sie bringen die weiße Homebase und machen den Marsch von c7 noch suggestiver.

Auf eure Diskussionsbeiträge freue ich mich!

7 thoughts on “Retro der Woche 20/2014

  1. Please, have a look at Bernd Gräfrath, 1st Commendation Messigny 2013
    1.f4 c5 2.f5 Db6 3.f6 Db3 4.a×b3 c4 5.b×c4 d5 6.c×d5 Le6 7.d×e6 Sc6 8.e×f7+ Kd7 9.f×g8T Ke6 10.T×f8 Th×f8 11.f7

      • Ja, ich habe auch an mein Problem gedacht. 🙂 Aber es ist etwas anders als das von Michael: Bei mir kommt der Bf7 der Diagrammstellung ja von f2, während bei Michael der Bc2 von h7 kommt. In meiner Diagrammstellung gibt es also keinen Betrüger-Bauern im engeren Sinne zu sehen: Bei mir wird dagegen ein Volet-Bauer vorgetäuscht; und tatsächlich war vorher der Ba2 nach f7 gekommen (und danach verschwunden), der damit ein Volet-Bauer war (was dem Thema des Kompositionsturniers in Messigny 2013 entsprach).

      • ….ja, ich habe auch die Unterschied bemerkt. Aber, so ein problem kann mann immer zeigen! Viel Spass!

  2. oh, echt schöne sonntagsüberraschung, mal was auch für mich locker lösbares (sogar ab blatt) hier zu finden! wie rasch ich mit der auf 10.5 züge erweiterten fassung zurande gekommen wäre, kann ich nicht sagen, da ich die 8.5-aufgabe vorher sah, aber ich schätze sie für deutlich schwieriger ein.
    dass betrügerbauern in retros ohne zeitdruck auftreten können, hätte ich jetzt von mir aus nicht so sicher ausschließen mögen, obwohl ich im moment keine idee habe, wie man sie einbauen könnte.

    • Lieber Urs !

      Die Betrügerbauern sind gerade so definiert, dass es sich um einen solchen handelt, wenn dieser nicht ürsprünglich von dieser Linie stammt, von dort gemäß (klassischer) Retroanalyse aber stammen könnte.

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