Retro der Woche 08/2016

Im Retro der Woche 53/2015 hatte ich den zweiten Preis des Phénix Retroturniers 2014 vorgestellt. Bei der Erstellung des Preisberichts hatte mir die Reihung des zweiten und dritten Preises ziemliche Kopfschmerzen bereitet, darum stelle ich nun auch den dritten Preis vor: Vielleicht mögt ihr ja die beiden Aufgaben selbst vergleichen?

Nicolas Dupont
Phénix 2014, 3. Preis
Beweispartie in 26,0 Zügen (12+13)

 

Ich kann mich gut erinnern, dass mir die Lösung ziemlich schwergefallen war – zum Schluss komme ich darauf noch einmal kurz zurück.

Aber beginnen wir wie üblich zunächst mit der Inventur der Stellung: Es fehlen im Diagramm sieben der acht Bauern des Königsflügels, nur [Bh7] steht noch zu Hause.

Zumindest zwei schwarze Bauern müssen umgewandelt haben, denn die beiden weißen Bauern-Schlagfälle bxa und cxb können anders nicht erklärt werden.

Zählen wir nun die sichtbaren schwarzen Züge: 1+1+2+2+4+4=14. Da scheint noch viel frei zu sein, aber dem ist nicht so, denn wir haben ja die beiden schwarzen Umwandlungsbauern (mehr können es ja nicht sein, dafür reichen die Züge nicht). Und die müssen sich in jeweils irgendwo auf der a- oder b-Linie geopfert haben. Dafür haben sie jeweils nur einen Zug Zeit. Damit müssen die schwarzen Umwandlungssteine Läufer sein – mit Dame wäre die Aufgabe nebenlösig…

Damit wissen wir auch, dass der dritte fehlende sB zu Hause geschlagen werden musste.

Nun gilt es herauszufinden, welcher dieser dritte Bauer ist, welche weißen Bauern die schwarzen auf ihrem Weg zur Umwandlung geschlagen haben. Dabei muss dann auch berücksichtigt werden, wie die anderen weißen Bauer verschwinden konnten.

Dabei hilft uns sTd5: wir wissen, er muss in zwei Zügen von h8 gekommen sein – und das geht nur via d8. Also kann Bd6 nicht [Bd7] sein, denn die d-Linie muss für den Turm frei gewesen sein.

Was hat er geschlagen? Einer der fehlenden Bauern kann es ja nicht sein, denn der hat keinen Schlag auf die d-Linie frei – also muss sich einer der weißen Bauern umgewandelt haben. Und von wo hat er geschlagen? Von e7 geht nicht, da f8-a3 sonst nie für den Läufer frei gewesen wäre, also kommt er von c7! Und das wiederum impliziert, dass Bc6 von d7 kommt!

Wen hat [Bd7] geschlagen? Erst recht keinen weißen Bauern! Also müssen sich auch zwei weiße Bauern umgewandelt haben, und wir sehen schon eines der Haupt-Themen dieser Aufgabe: Betrüger-Bauern. Hier allerdings nicht mit der meist genutzten, relativ trivialen Begründung, dass ein Turm auf seiner Linie herausgespielt werden muss, sondern deutlich subtiler.

Die beiden weißen Umwandlungssteine haben zusammen noch vier Züge Zeit, sich auf c6 und d6 zu opfern, denn dass sie weiße dort geopferte Originalsteine ersetzen, kann aufgrund der nur vier freien Züge nicht funktionieren.

Das alles hilft deutlich bei der Lösungsfindung: [Bh2] hat sich nach hxBg7 auf g8 umgewandelt, anders kann [Bh2] nicht verschwunden sein. Damit haben dann [Be7] und [Bf7] auf f1 bzw. g1 umgewandelt; [Be2] schließlich hat sich schlagfrei auf e8 umgewandelt.

Damit haben wir die wesentlichen Informationen, um zur Lösung zu gelangen:

1.b4 e5 2.Lb2 e4 3.Dc1 e3 4.Kd1 exf2 5.e4 f5 6.e5 f4 7.e6 f3 8.e7 Kf7 9.e8=T fxg2 10.Te6 Se7 11.Tc6 dxc6 12.h4 Le6 13.h5 Sd7 14.h6 Db8 15.Th5 Sc8 16.Sh3 g1=L 17.Lg2 f1=L 18.hxg7 La6 19.b5 La3 20.bxa6 b5 21.c4 Lb6 22.c5 Td8 23.cxb6 Sc5 24.g8=T Td5 25.Td8 b4 26.Td6 cxd6.

Also vier Ceriani-Frolkin-Umwandlungen und Betrüger-Bauern, wobei die Betrügerbauern die Umwandlungssteine geschlagen haben – in der „wissenschaftlichen“ Schreibweise zu den Beweispartien der Zukunft: (CC&CF)(TT) & CF(ll).

Wieso habe ich damals, als ich den Preisbericht vorbereitete, so lange für die Lösung gebraucht? Nun, es hatte eine Weile gedauert, bis bei mir der Groschen gefallen war, dass der zweite weiße Umwandlungsturm „hinten herum“ nach d6 (und nicht wie sonst meist üblich direkt über die sechste Reihe) zum Selbstopfer marschiert war.

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