Retro der Woche 17/2024

In der letzten Woche hatten wir hier eine Schach-960-Beweispartie von Per Olin studiert, heute möchte ich euch ein Gemeinschaftswerk von ihm mit Joaquim Crusats vorstellen, in der die beiden die Partieausgangsstellung verraten: Es ist die „normale“!

Joaqium Crusats & Per Olin
Die Schwalbe 2020 Werner Keym gewidmet, Lob
Beweispartie in 23,0 Zügen (14+15)

 

Betrachten wir erst einmal die fehlenden Steine: Insgesamt fehlen genau drei Läufer; dazu passen auch deren sichtbare Schlagfelder, die wir wegen der eindeutigen Felderfarben auch direkt den fehlenden Läufern zuordnen können: [Lc1] starb auf g5, [Lf1] auf c6 sowie [Lf8] auf h5. Damit kommen wir auf drei erforderliche Läuferzüge sowohl bei Schwarz als auch bei Weiß.

Dieses Wissen können wir direkt in die Zählung der sichtbaren Züge integrieren: Wir sehen bei Weiß 0+0+5+0+5+4=14 Züge, bei Schwarz 3+0+5+3+2+5=18 Züge; wir können aber noch jeweils drei Läuferzüge hinzurechnen, kommen also auf 17 bzw. 21 Züge.

Weiterlesen

Retro der Woche 02/2024

In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre begann die Blütezeit der eindeutigen Beweispartien, die heute einen qualitativ und quantitativ bedeutenden Teil der Retro-Aufgaben bilden. Eine hervorragende Dokumentation der Zeit bis etwa 1990 ist Wilts, Gerd und Frolkin, Andrej: Shortest Proof Games. The Rubic’s Cube of a Chess Player. A collection of more than 160 Shortest Proof Games. Karlsruhe: Selbstverlag 1991 — immer noch sehr zu empfehlen!

Dort findet sich als Nr. 49 auch unsere heutige Aufgabe zweier bedeutender Beweispartie-Pioniere, wobei Andrej ja auch 40 Jahre später noch aktiv.

Dmitri Pronkin & Andrej Frolkin
Themes-64 1984, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 17,5 Zügen (14+15)

 

Schauen wir zunächst nach den fehlenden Steinen: Bei Weiß fehlt [Be2] sowie ein Turm, der c6 geschlagen wurde, bei Schwarz ist [Lc8] verschwunden.

Und dann machen wir uns Gedanken um die Zugreihenfolge, zumindest in Teilen. Besonders interessant hierfür ist der Südwesten mit wTa2 und sSa1. Beide weißen Türme können in drei Zügen nach c6 gelangen (Ta1-a3-c3-c6 bzw. Th1-e1-e6-c6) – das scheint für Th1 zu sprechen, da dann der ungeschlagene Turm nur einen Zug benötigt. Der Springer muss bereits auf a1 stehen, bevor Bb3 gespielt werden kann, was gleichzeitig [Lc1] befreit. Somit kann nicht Th1-a1-a2 erfolgt sein, sondern [Th1] benötigt drei Züge nach a2 (Th1-b1-b2-a2), also zwei mehr.

Weiterlesen

Retro der Woche 11/2022

Andrej Frolkin ist ein hervorragender und sehr produktiver Komponist, er veröffentlicht auch viele Gemeinschaftsaufgaben mit Problemfreunden aus aller Welt. Hoffen wir, dass sich bald auch wieder die Gelegenheit ergibt, in friedlicher Umgebung Aufgaben gemeinsam mit russischen Problemisten zu bauen…

Heute möchte ich euch eine bemerkenswerte Aufgabe von Andrej aus dem bärenstarken Schwalbe-Jahrgang 2015 zeigen.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2015, 1. Lob
Minimale Anzahl Einzelzüge seit dem letzten Zug eines schwarzen Springers (16+12)

 

Auffällig am Diagramm ist der mächtige Käfig auf der Ostseite des Bretts sowie die insgesamt vier weißen Umwandlungsspringer. Im Käfig sieht man die Bauernschläge gxf7 und hxg5, jeweils hinter die schwarzen Bauern, die ja selbst nicht schlagen konnten.
Jeweils zwei der weißen Springer müssen auf a8 und c8 entwandelt werden, dazu müssen die Schläge Bbxa und Bdxc geschehen sein. Demnach muss [Bh7] schlagfrei auf h1 umgewandelt haben, um verschwinden zu können.
Weiterlesen

Retro der Woche 02/2022

Als Preisrichter für die Retro-Urdrucke der Schwalbe im Jahr 2022 konnte ich Richard Dunn, meinen Sachbearbeiter-Kollegen von The Problemist, gewinnen. Aus seiner Rubrik, konkret vom Januar 2021, habe ich für heute eine Beweispartie eines Autors ausgesucht, an dessen Werken ich immer Freude habe.

Rustam Ubaidullajew
The Problemist 2021
Beweispartie in 15,5 Zügen (14+12)

 

Rustam ist kein wahnsinnig produktiver Komponist: Die PDB enthält 77 Aufgaben von ihm – und davon sind 74 Beweispartien! Ohne sich auf spezielle Modethemen zu konzentrieren sind seine Aufgaben stets originell und attraktiv zu lösen. Ich glaube, das gilt auch für das heutige Beispiel. Und so ist es nicht überraschend, dass ich in dieser Rubrik bereits mehrere seiner Aufgaben vorgestellt habe. Wenn ihr Lust und Zeit habt, nutzt einfach die Suchfunktion, um die Aufgaben zu finden, zu lösen oder durchzuspielen!

Das heutige Beispiel ist relativ kurz, sodass ich nur wenige Hinweis zur Lösung geben möchte. Bei Weiß fällt natürlich sofort die Homebase auf; da gibt es also keine Züge zu zählen. Die schwarzen zu zählen ist schon deutlich interessanter:

4+1+1+3+0+4=13 – zwei Züge sind also frei? Nein, nicht wirklich, denn woher sTd8 auch kommen mag, dem muss einer der beiden Springer Platz gemacht haben: der muss also einschließlich seiner Rückkehr zwei Mal gezogen haben, und damit sind alle schwarzen Züge erklärt.

Weiterlesen

Retro der Woche 20/2021

Ohne die leidige Corona-Pandemie wären neben mir sicherlich einige der Leser heute noch in Andernach zum traditionellen Problemschach-Treffen am Himmelfahrt-Wochenende, das seit 1975 jedes Jahr dort stattfindet, wenn nicht gerade Corona einen Strich durch die Rechnung macht.

„Zur Feier des Tages“ habe ich daher heute eine Märchen-Beweispartie herausgesucht, wie schon in der letzten Woche aus den Phénix-Urdrucken des Jahres 2020. Die Hinweise aus der letzten Woche sind auch heute gültig.

Éric Pichouron
Phénix 2020
Beweispartie in 20,5 Zügen, Knightmate (15+16)

 

So sehr märchenhaft ist „Knightmate“ gar nicht; hier die Definition aus dem Schwalbe-Märchenlexikon: In der Partieanfangsstellung werden die Könige durch königliche Springer und die Springer durch nichtkönigliche Könige ersetzt. Könige dürfen geschlagen werden und durch Umwandlung entstehen.

Mit anderen Worten: Könige und Springer tauschen vollständig ihre Rollen.

Und so haben wir bei Weiß, wenn man von den Bauernzügen absieht, eine Homebase-Stellung für diese Märchenbedingung.

Weiterlesen

Retro der Woche 29/2020

Am letzten Dienstag haben wir an dieser Stelle Dmitri Pronkin zum 60. Geburtstag gratuliert, und heute möchte ich euch von ihm eine weitere Aufgabe aus der Pionierzeit der Beweispartie vorstellen, die mir auch heute noch mehr als reizvoll erscheint.

Dmitri W. Pronkin
Themes-64 1985-1986, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+16)

 

Schwarz ist noch mit allen Mann an Bord vertreten, bei Weiß fehlen zwei Bauern; da sie nicht geschlagen haben können, sind dies [Bb2] und [Bg2]. Die aber können nicht direkt geschlagen worden sein, sondern müssen umgewandelt haben, um sich entweder auf der sechsten Reihe geopfert zu haben oder den Originalstein zu ersetzen, der dort geschlagen wurde.

Mindestens ein Originalstein musste geschlagen werden, denn anders kann ja zumindest der erste Bauer nicht zur Umwandlung gekommen sein.

Zählen wir erst einmal die sichtbaren schwarzen Züge, wobei wir die schwarze lange Rochade voraussetzen, da sie das Herausspielen signifikant beschleunigt: Das sind 4+3+3+6+1+3=20 — drei Züge sind also frei?!

Weiterlesen

Retro der Woche 11/2020

Bleiben wir noch etwas in den 1980er Jahren, als sich die Beweispartien langsam zu einem wichtigen, die kommenden Jahre dominierenden Bereich der Retroanalyse entwickelten.

Michel Caillaud, zu der Zeit, als er das heutige Stück komponierte, erst etwas über 30 Jahre alt, war einer derjenigen, die früh das Potenzial der eindeutigen Beweispartien erkannt hatten und schon damals großartige Aufgaben damit zu bauen verstanden.

Michel Caillaud
Phénix 1988, Spezialpreis
Beweispartie in 21,5 Zügen (15+14)

 

Für heute habe ich solch ein Exemplar herausgesucht, das sicherlich auch heute noch zum Lösen reizt.

Bei Schwarz scheint nicht viel passiert zu sein: Es sind insgesamt nur vier Züge zu sehen. Bei Weiß sind schon etwas mehr Züge im Diagramm zu sehen, nämlich 3+0+4+2+1+3=13. Aber auch damit sind natürlich noch viele Züge frei!

Da verrät uns die Untersuchung der Schlagfälle schon mehr…

Weiterlesen

Retro der Woche 04/2020

Heute feiert der Bulgare Nikolai Beluchow einen runden Geburtstag. Ende des Jahres 2009 tauchte er plötzlich mit ausgefeilten Urdrucken in Phénix, Probleemblad und der Schwalbe auf –und im Laufe des Jahres 2012 verschwand er schon wieder von der aktiven Komponistenbühne. Dies hatte, wie er mir damals schrieb, mit seinem Mathematikstudium und Beruf zu tun -– als er seine ersten Urdrucke verschickte, war er gerade 19 Jahre alt; heute feiert er seinen 30. Geburtstag – ganz herzlichen Glückwunsch dazu!

Und wenn ich mir etwas zu seinem Geburtstag wünschen darf, dann ist es, dass er Zeit und Muße findet, sich bald wieder ans Konstruktionsbrett zu setzen!

Mit der Aufgabe, die für heute herausgesucht habe, belegte er den zweiten Platz im 1. FIDE World Cup 2010 — ein bemerkenswertes Resultat für einen frischgebackenen Twen! Welch Riesentalent Nikolai ist, zeigt sich allein schon daran, dass er mit 15 Retros im FIDE-Album 2010-2012 vertreten ist, dafür wurde er 2014 zum FIDE-Meister für Schachkompositionen ernannt.

Nikolai Beluchow
FIDE World Cup 2000, 2. Preis
Letzte 30 Einzelzüge? (11+14)

 

Im Diagramm sieht man direkt zwei Schlagfälle schwarzer Bauern auf die f-Linie. Damit die schwarzen und weißen Bauern auf dem Damenflügel aneinander vorbeikommen, sind vier weitere Schläge erforderlich. Die können nicht alle von Schwarz ausgeführt sein, da bei Weiß nur fünf Steine fehlen. Also ist die Aufteilung dort „2:2“, und es bleibt noch ein schwarzer Schlagfall offen.

Weiterlesen