Retro der Woche 21/2023

Im Retro-Turnier des Problemist für die Jahre 1999-2000 bekam eine höchst originelle Aufgabe den dritten Preis: Sie verbindet zwei Forderungen, die den Löser zum Selbst-Lösen/Konstruieren einladen sollen. Und entsprechend lade ich euch ein, euch darauf einzulassen — irgendwie passt das auch gut, wie ich finde, zum Sonntag des Andernach-Wochenendes!

Alexander Jarosch fordert nämlich das Einfärben einer gegebenen Stellung — und deren Ergänzung zu eine Illegal Cluster: Ihr erinnert euch? Eine illegale Stellung, die durch Entfernen eines jeden Steins (außer den Königen natürlich) legal wird.

Alexander Jarosch
The Problemist 1999-2000 (5/1999), 3. Preis
Färbe die Steine und ergänze alle fehlenden Steine zu einem Illegal Cluster (0+12)

 

Für die Ergänzung zum kompletten Figurensatz sind 12 vorgegebene Steine natürlich nicht der Rekord — den haben wir uns mit nur sieben Steinen im Retro der Woche 05/2023 angeschaut.

Aber hier kommt natürlich das Einfärben hinzu, was die generelle Komplexität deutlich erhöht.

Welche Lösungsidee können wir denn entwickeln? Häufig liegen etwa illegale Mehrfach-Schachs vor, die durch Entfernung eines Steins aufgehoben oder legalisiert werden können. Recht unwahrscheinlich bei 32 Steinen, dass das funktionieren könnte.

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Retro der Woche 05/2023

Mit dem vierten Heft 2022, dem hundertsten insgesamt, hat nach 25 Jahren StrateGems sein Erscheinen eingestellt. Leider ist auch bereits die Website, auf der kurzzeitig alle Hefte als PDF-Datei herunter geladen werden konnten, schon seit ein paar Tagen offline.

Das Ende von StrateGems ist für die gesamte Problemschachwelt, besonders aber für uns Retrofreunde ein Riesenverlust: Nicht nur die Qualität der Urdrucke war dort überdurchschnittlich hoch, was auch der Redaktionsarbeit von Kostas Prentos zu verdanken ist, der die Retroabteilung mehr als 13 Jahre lang geleitet hatte, auch wurden dort viele hervorragende Retro-Artikel veröffentlicht, was wir auch der Mitarbeit von Silvio Baier dort zu verdanken hatten.

Schon jetzt im Januar 2023 ist der Preisbericht für die Retros 2022 erschienen; Richter war Vlaicu Crisan. Darin zeigt sich, dass der Jahrgang 2022 überragend war; ich werde noch auf manche Aufgaben dieses Preisberichts zurückkommen.

Beginnen möchte ich gleich mit einer Sensation, die ich bei den Illegal Clusters kaum für möglich gehalten hätte:

Dmirij Baibikov
StrateGems 2022, 1. Preis (klassische Retros)
Ergänze 25 Steine zu einem Illegal Cluster (1+6)

 

Der bisherige Rekord mit acht Steinen, zu denen entsprechend 24 ergänzt werden sollen, stammt von Hans-Heinrich Schmitz aus dem Jahr 1981: Den solltet ihr euch unbedingt noch einmal ansehen, und ihr werdet feststellen, dass dort eine andere Grundidee als hier verwendet wurde — P0001751.

Wie kann man sich einem Lösungsansatz nähern? Schließlich stehen 32 Steine auf dem Brett, die Stellung ist illegal und wird durch Entfernung eines beliebigen Steins (außer den Königen selbstverständlich) legal. Bei der großen Zahl von Steinen kann ein nicht auflösbarer Käfig mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, da das Entfernen „irgendeines“ Steins außerhalb dieses Käfigs nichts an der Illegalität ändert. Eine illegale Bauernstruktur ist bei einem IC mit 32 Zielsteinen auch nicht denkbar.

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Retro der Woche 09/2022

Den ersten Preis der Beweispartien im Retro-Preisbericht 2012 in StrateGems hatten wir uns in der letzten Woche hier angeschaut. Die beiden erstplatzierten „übrigen Retros“ gab es schon im Retro der Woche 28/2013 sowie 2/2016 zu bewundern; ein Blick auf diese beiden Stücke lohnt noch immer.

Dennoch möchte ich noch ein mal auf diesen Bericht zurückkommen, um mal wieder ein Märchen-Retro zu zeigen.

Thomas Brand & Hans Gruber
StrateGems 2012, 1. Lob
Ergänze KTBktbb zu einem Illegal Cluster, Circe. b) sBh3>h2 (14+15)

 

(Groß geschriebene Buchstaben kennzeichnen weiße, klein geschriebene schwarze Steine.) Wir erinnern uns: Ein Illegal Cluster ist eine illegale Stellung, die durch Entfernung jedes einzelnen Steines (natürlich außer der Könige) legal wird.

„Circe“ ändert keine Zugwege, aber Durchführung und auch Möglichkeiten von Schlagfällen. In Retros ist das Entschlagen eines Steins daran gebunden, dass er „Circegerecht“ auf dem Schlagfeld erscheinen kann: Dafür muss das Partieausgangsfeld des Schlagopfers besetzt sein: Steht das Schlagopfer selbst dort, so wird es mit dem Entschlag von dort wegbewegt, ansonsten ganz normal ergänzt. Ist das Partieausgangsfeld allerdings leer, so ist der Entschlag unmöglich.

Wie kann uns dieser Unterschied zum orthodoxen Schach nun helfen, eine Idee für das Lösen dieses Illegal Clusters zu finden?

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Thomas Rayner Dawson

Heute vor 70 Jahren, am 16. Dezember 1951, starb in London Thomas Rayner Dawson (* 28. November 1889 in Leeds). Dawson, der vielleicht kreativste Geist des Problemschachs, hat viele heute als selbstverständlich betrachtete Märchenbedingungen (z.B. Serienzüger, Längstzüger) und -steine (z.B. Grashüpfer, Nachtreiter, neutrale Steine) erfunden. Viele Bücher hat er geschrieben, war quasi Zeit seines Lebens Problemschach-Redakteur, beispielsweise beim Chess Amateur, The Problemist, Fairy Chess Review, British Chess Magazine. Darüber hinaus war er ein sehr produktiver Komponist — und ging „nebenbei“ auch einen seriösen Beruf (Chemiker in führender Position in der Kautschukindustrie) nach.

Gerade für uns Retrofreunde war er sehr produktiv: Bereits 1915 schrieb er mit Wolfgang Hundsdorfer Retrograde Analysis, DEN Klassiker der frühen Retro-Literatur. Auch in seinen anderen Büchern tauchen immer wieder prominent Themen der Retroanalyse auf. Besonders ist er für uns verbunden mit der Erfindung der Beweispartie sowie des Illegal Cluster.

Nun möchte ich euch einladen, ein nicht so bekanntes Illegal Cluster von Thomas Rayner Dawson zu seinem Gedenken „zwischendurch“ zu lösen.

Thomas Rayner Dawson
The Problemist 1933
Ergänze ttllbbb zu einem Illegal Cluster; b) sD nach h8 (1+2)

 

 

Und wie immer: Die Lösung folgt in etwa einer Woche hier.

Lösung

a) sTg7h6 sLg8h8, sBf7g6h5
b) sTg7g8, sLf8h7, sBe7f7g6

Zwei nicht auflösbare Käfige mit hübscher Zwillingsbildung.

Wolfgang Dittmann 85

Heute denken wir an den 85. Geburtstag von Wolfgang Dittmann (*14.6.1933, +5.2.2014), den großen Retro-Komponisten, -Theoretiker und Publizisten.

Über seine Verdienste gerade um die Retroanalyse, über den Verfasser des “Blick zurück”, über den Wiederbeleber des Verteidigungsrückzügers, über den herausragenden Komponisten muss ich hier sicherlich nicht viele Worte verlieren. Viele wissen, dass er als Vorsitzender der Schwalbe viel für die Vereinigung getan hat. Und für mich war er ein väterlicher Freund.

Eine besondere Vorliebe hatte Wolfgang für Illegal Cluster, also Aufgabe, in denen eine illegale (!) Stellung konstruiert werden soll, die nach Entfernen eines beliebigen Steins (außer der Könige natürlich) legal wird. Zwei solcher IC’s von Wolfgang hatte ich im Blog schon vorgestellt: Im Retro der Woche 07/2014 und im Retro der Woche 06/2017.

Heute möchte ich ein weiteres IC von ihm präsentieren; die Lösungsangabe entnehme ich seinem Buch “Der Blick zurück”, dort ist es Aufgabe 103.

Wolfgang Dittmann
feenschach 1976, 3. ehrende Erwähnung
Ergänze LBBlbb zu einem Illegal Cluster (2+3)

 

“Der Ausgangsstellung in 103 sieht man nicht an, dass hier der sK eingesperrt werden soll. Wie kann das gehen, da nur ein wB auf dem Brett steht und nur zwei weitere eingefügt werden sollen?

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Retro der Woche 06/2017

Heute vor drei Jahren ist Wolfgang Dittmann verstorben. Als Komponist ist er besonders durch seine Verteidigungsrückzüger berühmt gewesen, aber seine heimliche Liebe galt auch den Illegal Clustern: Bei denen müssen bekanntlich die angegebenen Steine ins Diagramm eingefügt werden, sodass die Stellung illegal ist, durch Entfernung eines beliebigen Steins (außer den Königen natürlich!) aber eine legale Stellung entsteht.

Wolfgang Dittmann
Karl-Fabel-Gedenkturnier 1976, Lob
Ergänze kdllbb zu einem Illegal Cluster (4+4)

 

Wolfgang hatte sich bei seinen Illegal Clustern immer bemüht, nicht so sehr den Rätselcharakter dieses Aufgabentyps zu betonen, sondern auch problemschachlichen, retroanalytischen Inhalt zu zeigen – so wie in dem Stück, das ich im Retro der Woche 07/2014 vorgestellt hatte, so wie auch im heutigen Stück.

Eine häufige Idee bei Illegal Clustern ist, eine Retropatt-Stellung aufzubauen, in der eine Seite keine Züge mehr hat, aber durch Entfernung irgendeines Steines solch ein letzter Zug zur Verfügung steht.

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Problemas 15 (Juli 2016)

Wieder auf den Tag pünktlich ist die neueste Ausgabe von Problemas erschienen, die wie üblich kostenfrei aus dem Internet geladen werden kann.

Für uns Retrofreunde gibt es wieder tollen Lesestoff: So führt Henrik Juel Illegal Cluster Probleme vor; Jeff Coakley und Abdrej Frolkin zeigen neue Entwicklungen bei Rebus-Aufgaben. Darüber hinaus gibt es noch einen kurzen Redaktions-Artikel über zyklischen Platzwechsel vier vertikaler Bauern in Beweispartien. Alle drei Artikel. in Englisch publiziert, sind sehr lohnend, aber auch der Rest der Zeitschrift ist interessant!

Wer mag, kann Problemas auch kostenfrei abonnieren; die Exemplare werden per Mail zugestellt: Einfach eine leere Mail mit “subscribe” im Betreff an sepa.problemas(at)gmail.com schicken. Das Abbestellen funktioniert, ihr ahnt es, mit dem Betreff “unsubscribe”.

Hans Heinrich Schmitz 100

Heute jährt sich zum hundertsten Male der Geburtstag von Hans Heinrich Schmitz (*12.02.1916, † 04.02.2000).

Von Beruf Musiker (leitete z.B. von 1959 bis 1966 das Sinphonieorchester Jena, die heutige Jenaer Philharmonie) hatte er sich früh für die neudeutsche Schule begeistert, sich dann als eminent starker Löser aber allen problemschachlichen Bereichen gewidmet.

Durch seine ausführlichen, fundierten, sprachlich exzellenten Löser-Kommentare habe ich als junger Retro-Interessierter sehr viel gelernt, seine Überlegungen zur Ästhetik haben viel bewirkt. So forderte er etwa Ende der 70er Jahre heftig die Eindeutigkeit von Beweispartien, auch wenn dann die Anzahl der Themasteine (zu der Zeit waren Rekordkonstruktionen mit dem Ceriani-Frolkin Thema in nicht eindeutigen Beweispartien en vogue) geringer wäre. Zunächst nahm sich Michel Caillaud dieser Gedanken an — der Rest ist Geschichte…

Ich habe Hans Heinrich Schmitz bereits bei meinem ersten Schwalbe-Treffen (1982 in Hennef) kennen gelernt: In der dortigen Sportschule waren wir Zimmergenossen. Im persönlichen Umgang sehr gewinnend hat er mich, auch bei seinen zahlreichen Besuchen des Andernach-Treffens, direkt und indirekt (ob absichtlich oder nicht, mag ich nicht zu beurteilen) immer mehr Richtung Retroanalyse geführt; ich bin ihm dafür sehr dankbar.

Hans Heinrich Schmitz hat nicht viel komponiert; eines seiner bekanntesten Retros (das mit der kuriosen Bepunktung von 4+3+1 den Weg ins Album gefunden hatte), möchte ich hier zeigen.

Hans Heinrich Schmitz
feenschach 1981 (Verbesserung), 2. Preis
Ergänze 24 Steine zu einem Illegal Cluster (1+7)

 

Bei Illegal Clusters wird durch Einfügen der angegebenen Steine in ein unvollständiges Diagramm eine illegale Stellung erzeugt, die nach jeder Entfernung eines beliebigen Steines (außer den Königen) legal wird.

Was kann nun hier die Idee sein, die 24 Steine einzufügen? Zunächst sehen wir, dass die Angabe der Anzahl einzusetzender Steine hier zur deren Eindeutigkeit bereits reicht: Damit stehen in der Lösung 32 Steine auf dem Brett, alles Originalsteine, da kein Schlag stattgefunden hat und damit auch keine Umwandlung möglich war.

Die Grundidee ist, dass eine Seite keinen letzten Zug hat, und auch durch Rücknahme eines Zuges der anderen Partei kein letzter Zug für sie entstehen kann. Entfernt man dann einen Stein, so ist ein letzter Zug möglich.

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